Erste Parlamentarische Geschäftsführerin | Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Ein multiples Behördenversagen

Breitscheidplatz

Pua Breitscheidplatz

  • Die Aufklärung zum Terroranschlag am Breitscheidplatz muss intensiv fortgesetzt werden. Wird nicht vollständig aufgeklärt, können auch keine wirksamen Konsequenzen gezogen werden, um solche Anschläge zukünftig möglichst zu verhindern.
  • Unsere Zwischenbilanz: Es gab multiples Behördenversagen. Die Bundesregierung hat nach dem Anschlag falsch informiert und behindert die Aufklärung. Das ist unverantwortlich.
  • Am Ende der Untersuchungsarbeit muss eine Reform der Sicherheitsarchitektur stehen.

Vor gut einem Jahr hat der Untersuchungsausschuss des Bundestages zum Terroranschlag auf den Berliner Breitscheidplatz (PUA) die Beweisaufnahme gestartet. Seitdem sind dem Ausschuss mehr als 100 Gigabyte an elektronischen Daten zur Auswertung und Vorbereitung der Sitzungen von den beteiligten Behörden auf Grundlage der vom Ausschuss gefassten Beweisbeschlüsse übermittelt worden. Dahinter verbergen sich 45.000 Dateien, 1.600 Ordner in elektronischer Form sowie circa weitere 300 Ordner mit VS-Vertraulich oder „höher“ eingestuftem Aktenmaterial in der Geheimschutzstelle. Weiteres Aktenmaterial befindet sich ständig im Zulauf.

Bundesregierung und Sicherheitsbehörden verhindern Aufklärung

Der Ausschuss hat seit dem Beginn der Beweisaufnahme insgesamt 23 Mal getagt und dabei 60 Zeugen – zumeist in öffentlicher Sitzung – vernommen. Viele Fragen sind noch offen, teilweise auch, weil die Bundesregierung und nachgeordnete Sicherheitsbehörden statt die Aufklärung aktiv zu unterstützen Akten vorenthalten, Akteninhalte großflächig schwärzen oder versuchen, wichtige Zeugen für die Aufklärung des Anschlags zu verwehren.

Jedoch hat der Bundesgerichtshof den Untersuchungsausschuss bereits auf Klage der Oppositionsfraktionen Bündnis 90/Die Grünen, FDP und Die Linke in einem wichtigen Punkt gestärkt. Eine weitere Klage steht noch aus.

Auch die Angehörigen der Opfer des Anschlags haben mehr als deutlich gemacht, dass Sie die obstruktive Haltung der Bundesregierung sowie der sie tragenden Bundestagsfraktionen scharf kritisieren und Aufklärung ohne „wenn“ und „aber“ – wie von der Bundeskanzlerin noch kurz nach dem Anschlag zugesagt – erwarten.

In einigen wichtigen Fragen ist der Untersuchungsausschuss bereits zu wichtigen Erkenntnissen gekommen, die uns zu folgenden sieben Thesen führen:

  1. Möglicherweise hätte man den Attentäter vor dem Anschlag aus dem Verkehr ziehen können.
  2. Amri handelte nicht allein.
  3. Die Bundessicherheitsbehörden waren involviert in die Causa Amri, haben aber nicht verantwortlich gehandelt.
  4. Amri war kein reiner Polizeifall und der Verfassungsschutz hat versagt
  5. Das Nachtatgeschehen ist nicht ausermittelt. Wichtigen Hinweisen auf Tatzusammenhänge wurde nicht nachgegangen.
  6. Die Bundesregierung hat die Aufklärung des schlimmsten islamistischen Anschlags in Deutschland erschwert, statt sie aktiv voranzutreiben und zu unterstützen.
  7. Die Öffentlichkeit und der Deutsche Bundestag wurden nach dem Anschlag falsch informiert.

Weitere Einzelheiten und Hintergründe zu diesen Thesen können Sie unserem Thesenpapier entnehmen.

Rolle der Verfassungsschutzämter und Nachrichtendienste ist weiterhin unklar

Noch liegen viele weitere lose Fäden auf dem Tisch, die es lohnt, weiter zu verfolgen und hartnäckig die notwendige Aufklärung voranzutreiben. So ist die tatsächliche Rolle und Befassung der Verfassungsschutzämter des Bundes und der Länder, des Bundesnachrichtendienstes (BND) sowie der Nachrichtendienste allgemein weiterhin sehr nebulös und unklar. Hier stellen sich weitere Fragen nach weiteren „Vertrauenspersonen“ der Nachrichtendienste im „Umfeld“ von Anis Amri und ob er möglicherweise bewusst an der „langen Leine“ geführt wurde, um über ihn und seine Kontaktpersonen an Informationen zu weiteren islamistischen Strukturen im In- und Ausland zu kommen. Die föderale Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden jedoch liegt im Argen. Hier braucht es dringend klar konturierte Reformprozesse.

Die Sicherheitsarchitektur unserer Republik muss reformiert werden

Wir werden uns dafür einsetzen, dass sich die Fraktionen am Ende des Untersuchungsausschusses auf Grundzüge eines Reformprozesses unserer Sicherheitsarchitektur einigen und auch vorschlagen, wie das politisch umgesetzt werden kann. Der Bundestag ist nach unserer Auffassung in der Pflicht, entsprechende Konsequenzen aus dem Anschlag vom 19.12.2016 zu ziehen. Das sind wir den Opfern und ihren Angehörigen, den vielen hart arbeitenden Menschen in den Sicherheitsbehörden, aber auch der Gesellschaft als Ganzes schuldig

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