Newsletter August/September 2018
Liebe Leserinnen und Leser,
der Sommer hat uns am eigenen Leib spüren lassen, zu welchen Extremen der Klimawandel führen kann. Hitze und Trockenheit haben nicht nur der Landwirtschaft zugesetzt. Braune Rasenflächen in den Städten und unter der Hitze leidende Menschen und Tiere haben das Bild dieses Sommers geprägt. Für uns sollte diese Erfahrung Ansporn für eine entschlossenere Klimaschutzpolitik sein.
Auch an anderer Stelle ist Entschlossenheit gefragt.
Die Ausschreitungen in Chemnitz sind eine Herausforderung für unseren Rechtsstaat. Dieser ist gefragt, wenn es darum geht, Verbrechen aufzuklären und zu ahnden. Das gilt für alle Straftaten egal wer sie verübt hat. Ob Migrant, Geflüchteter oder Deutscher. Aber was wir alle zusammen auf keinen Fall akzeptieren dürfen, ist, wenn rechte Demagogen Straftaten ausnutzen, Lügen verbreiten und ihre Gefolgschaft gegen andere Gruppen aufstacheln. Es darf in Deutschland keine Orte geben, an denen Menschen mit anderem Aussehen, sichtbar anderer politischer Einstellung oder aus was für fadenscheinigen Gründen auch immer ungehindert vom rechten Mob angepöbelt, beleidigt oder ganz und gar gejagt und angegriffen werden
Die Antwort auf diese Herausforderung liegt in einer besseren Analyse der Gefahr, die vom Rechtsextremismus ausgeht und in der Stärkung des Rechtsstaats. Das ist mir in meiner parlamentarischen Arbeit ein besonderes Anliegen, was auch an vielen Stellen dieses Newsletters sichtbar wird.
Ich wünsche viel Spaß beim Lesen
Irene Mihalic
Horst Seehofer an der Grenze: Vom Masterplan und anderen Defiziten in seiner Amtsführung
Der am Ende notdürftig gekittete Schwestern-Streit von CDU und CSU vor der Sommerpause hat das politische Berlin wochenlang in Unruhe versetzt. Getrieben von bayerischen Wahlkampfinteressen hat der Bundesinnenminister die Kanzlerin bedroht. Wenn Sie nicht auf europäischer Ebene für Abkommen sorge, die garantieren, dass Geflüchtete, die schon in einem anderen EU-Land registriert wurden, wieder in jenes Land zurückgeschickt werden können, würde Seehofer eigenmächtig Geflüchtete an der deutschen Grenze zurückweisen lassen. Nach zähen Auseinandersetzungen zwischen Merkel und ihrem Minister, die beinahe die Fraktionsgemeinschaft von CDU und CSU beendet hätte, kam es am Ende zu einem Kompromiss auf dem Rücken der Geflüchteten, der europäischen Idee und der Humanität, den „Transitzentren“ – ein Euphemismus für geschlossene Grenzlager. Ich habe in meiner Haushaltsrede unmissverständlich klar gemacht, was ich davon halte und dass man den rechtsextremen Geist nicht bekämpft, indem man ihn atmet. Weiter habe ich darauf aufmerksam gemacht, dass die Arbeitsbilanz des Innenministers bisher mehr als dürftig ist. Bei wichtigen Baustellen wie der schwierigen Personalsituation der Sicherheitsbehörden sind wir praktisch keinen Schritt weiter. Es werden nur Zahlen verkündet, aber nicht mit durchgerechneten Konzepten hinterlegt. Das Ganze hat mit seriöser Innenpolitik nicht das Geringste zu tun.
Das Urteil im NSU-Prozess ist gesprochen, die Gefahr des rechten Terrors besteht fort!
Anfang Juli war es soweit: Nach weit über 5 Jahren und mehr als 430 Verhandlungstagen wurde das Urteil am Oberlandesgericht München im NSU Prozess gesprochen. Leider wurde im Verfahren nur ein kleiner Teil des Netzwerks ausgeleuchtet, weil sich die Staatsanwaltschaft von vorneherein viel zu eng auf das Trio und einige Helfer fokussiert hat. Dadurch wurde sträflich außer Acht gelassen, dass hinter dem Trio ein weit größeres Netzwerk gestanden haben könnte. Der verengte Blick bestimmt auch bis heute das Verständnis der Sicherheitsbehörden im Bereich Rechtsextremismus. So gab es laut Antwort der Bundesregierung auf meine Kleine Anfrage in den letzten Jahren zwar ein erhebliches Aufkommen an rechtsextrem motivierten Straftaten, die aber immer schnell als Einzeltaten abgetan wurden. Netzwerke sind nicht im Blick, genauso wenig wie die immer größer werdende „Reichsbürger-Bewegung“. Szenen, die massiv bewaffnet sind. Die jüngsten Vorgänge in Chemnitz Ende August haben außerdem deutlich gemacht, wie groß das Mobilisierungspotential der Nazis inzwischen wieder ist. und wie immer noch gering die Kenntnisse über deren Strukturen, Netzwerke und Strategien sind. Wir brauchen endlich eine echte Analyse des gewaltbereiten Rechtsextremismus über die mehr als dürftigen jährlichen Verfassungsschutzberichte hinaus und davon ausgehend eine grundlegende Reform der Sicherheitsbehörden was die Bekämpfung des Rechtsextremismus angeht.
Anschlag auf dem Breitscheidplatz: Was wussten die Bundessicherheitsbehörden wann und warum haben sie nicht gehandelt?
Lange Zeit hat die Bundesregierung die Verantwortung für das Attentat (fast) überall gesucht beziehungsweise zugeschrieben nur nicht bei den Sicherheitsbehörden des Bundes. Diese Erzählung wurde bereits in den ersten Sitzungen des Bundestagsuntersuchungsausschusses pulverisiert. Ganz aktuell haben Recherchen von rbb und der Berliner Morgenpost ergeben, dass es im direkten Umfeld von Amri einen V-Mann des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) gegeben hat. Dabei hat der Präsident des BfV bisher immer steif und fest behauptet, der Verfassungsschutz habe mit der ganzen Causa nichts zu tun gehabt. Wenn sich das bewahrheitet, ist Maaßen auch in der Summe der von ihm verantworteten Skandale als Präsident des Verfassungsschutzes nicht mehr tragbar. Der Untersuchungsausschuss jedenfalls muss dran bleiben, dafür zu sorgen ist nicht zuletzt unsere Aufgabe als Opposition.
Dass auch das Bundeskriminalamt bereits sehr frühzeitig hätte einschreiten können, um letztendlich den Anschlag auf dem Breitscheidplatz zu verhindern, war schon das Ergebnis unserer ersten Sitzungen. Amri war sehr früh auf dem Schirm der Sicherheitsbehörden und wurde intensiv beobachtet. Es hätte mehrere Zeitpunkte gegeben, an denen man daran hätte mitwirken können, Amri außer Landes zu bringen, jedenfalls nach Italien, wo nach ihm gefahndet wurde. Aber weder das BKA noch andere Sicherheitsbehörden wurden aktiv und wir wollen wissen warum. Hat man sich erhofft über Amri Informationen aus der islamistischen Szene zu bekommen und dabei seine eigene Rolle falsch eingeschätzt?
Auch andere interessante Untersuchungsansätze haben wir bereits auf die Schiene gesetzt. Zum Beispiel haben wir die Frage angerissen, ob es Zufall war, dass der Ort bei Mailand, an dem Amri von der italienischen Polizei erschossen wurde keine zwei Kilometer von dem Punkt entfernt lag, an dem der LKW vom Breitscheidplatz beladen wurde. Hier wird die Frage nach den Nachtatermittlungen aufgeworfen, der wir mit Zeugen aus dem Bereich des BKA intensiv nachgehen wollen.
Nicht vollstreckte Haftbefehle: Wie arbeiten deutsche Sicherheitsbehörden?
In einer aktuellen Kleinen Anfrage haben wir wieder nach „nicht vollstreckten Haftbefehlen“ gefragt, denn deren Zahl zeigt, inwiefern die Polizei noch dazu kommt, die Täterinnen und Täter die sie ermittelt, auch tatsächlich aufzuspüren – mit erschreckendem Ergebnis: Die Zahl der nicht vollstreckten Haftbefehle ist weiter gestiegen, obwohl die Kriminalität seit Jahren sinkt. Im Durchschnitt braucht die Polizei heute auch länger als noch vor zwei Jahren, um gesuchte Verdächtige oder Täter zu finden. Viele nicht gemachte Hausaufgaben also – auch in Bayern: konkret waren es dort zum Stichtag 29.113 offene Haftbefehle. Für Bayern übrigens der höchste Stand seit 2011. Auch der Bundesinnenminister Horst Seehofer muss das zur Kenntnis nehmen und damit aufhören, in Fragen der Inneren Sicherheit wie selbstverständlich auf Bayern zu verweisen.
Kleine Anfrage:
21.06.2018, Nicht vollstreckte Haftbefehle als Gefahr für die innere Sicherheit 2018, 19/2914
Aus der Presse:
Bundespolizei: Situation und Planungen lassen wenig Fortschritt erkennen
Die Bundesregierung hatte in den letzten Monaten viele Ideen zur Bundespolizei von den sogenannten „Ankerzentren“ bis Grenzkontrollen. Dabei zeigt sich, dass die Bundespolizei weiter Probleme mit der Erfüllung ihrer originären Aufgaben hat. Mehr Personal in der Fläche wird es vorerst jedenfalls auch nicht geben, da weiterhin fast alle Laufbahnabsolventinnen und -absolventen entweder an den Flughäfen München und Frankfurt a.M. oder bei der Bereitschaftspolizei eingesetzt werden sollen. Auch die Zahl der Überstunden ist weiterhin auf hohem Niveau.
Die Bundespolizei kommt aber auch beim Frauenanteil nicht voran und weiterhin ist kein einziger Präsidentenposten bei der Bundespolizei mit einer Frau besetzt. Das ist Ausdruck einer institutionellen Rückständigkeit, die so im zweiten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts kaum noch tragbar ist.
Kleine Anfragen:
16.07.2018, Auswirkungen aktueller Planungen der Bundesregierung auf die Bundespolizei, 19/3406
23.08.2018, Situation und Planungen der Bundespolizei 2018, 19/3932
Drohende Gefahr Musterpolizeigesetz?
Am 6. Juli hat die Bundestagsfraktion im Rahmen eines Fachgesprächs die Gefahren eines möglichen Musterpolizeigesetzes ausgelotet. Einen Nachmittag lang haben die Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt, der Stellvertretende Fraktionsvorsitzende Konstantin von Notz und ich mit Katharina Schulze, Fraktionsvorsitzende im Bayerischen Landtag, und den geladenen Experten und Gästen diskutiert, denn klar ist, dass wir uns dem in jeder Form entgegenstellen müssen, sollte das jüngst in Bayern verabschiedete „Polizeiaufgabengesetz“ tatsächlich einmal als Vorlage für eine solche Initiative dienen. Wegen der vielfältigen und schwerwiegenden verfassungsrechtlichen Bedenken gegen das bayrische Gesetz dürfte dieser Ansatz aber gegenwärtig zwischen den Bundesländern auch nicht wirklich konsensfähig sein. Würde allerdings statt über Maximalpositionen vielmehr über Punkte gesprochen, bei denen keine Bürgerrechte auf dem Spiel stehen, hätte der Prozess vermutlich die Chance tatsächlich etwas Gutes zu bewirken. Nur an einer echten Arbeit an der deutschen Sicherheitsarchitektur denkt in der Bundesregierung scheinbar inzwischen niemand mehr.
Termin bei gruene-bundestag.de
Artikel auf gruene-bundestag.de
Aus der Presse:
Bayrische Grenzpolizei und wieder eine neue Baustelle für die Bundespolizei
Die Bayrische Grenzpolizei ist ein falscher Ansatz – sie agiert aber auch auf rechtlich fragwürdiger Basis. Das haben Katharina Schulze und ich in einem Brief an Horst Seehofer und Joachim Herrmann zum Ausdruck gemacht. Als Parlamentarier treibt uns die Sorge um, dass zukünftig nicht mehr nachvollzogen werden kann, in welcher Verantwortung eine polizeiliche Maßnahme an der Grenze erfolgt, denn das erschwert nicht zuletzt die parlamentarische Kontrolle. Davon abgesehen ist erschreckend, wie wenig CDU/CSU noch auf die Verfassung geben, wenn es um das Thema Flucht und Grenze geht.
Aus der Presse:
Katastrophenschutz im Dürre-Sommer / Klimakrise
Frühere und aktuelle Herausforderungen für den europäischen Katastrophenschutz durch Extremwetterereignisse (Starkregenfälle, Hochwässer, Stürme, extreme Trockenheit und Waldbrände) führen uns die drastischen Folgen des Klimawandels für unsere Umwelt und deren Auswirkungen für unsere Gesellschaft vor Augen. Nachdem Deutschland in den vergangenen Jahren vor allem von Starkregenfällen und Überschwemmungen betroffen war, ist das Jahr 2018 durch eine langanhaltende Hitzeperiode und Trockenheit gekennzeichnet. Vor allem in den östlichen Regionen hatten die Einsatzkräfte der Katastrophenschutzorganisationen mit großflächigen Waldbränden zu kämpfen.
Die Europäische Kommission hat im vergangenen Jahr einen Vorschlag vorgelegt, wie die Zusammenarbeit im europäischen Katastrophenschutz verbessert werden könnte. So schlägt die Kommission vor, dass die Europäische Union zum Beispiel eigene Löschflugzeuge beschaffen soll, die die Reserven der Mitgliedsstaaten bei Bedarf ergänzen.
Eine gute Idee zur richtigen Zeit, meinen wir und haben die Bundesregierung gefragt, wie sie die Pläne der Kommission beurteilt. Leider lässt die Bundesregierung aber auch im Katastrophenschutz jedes Verständnis für den europäischen Gedanken vermissen und dass obwohl auch in Deutschland nicht jede Lage ohne fremde Hilfe zu bewältigen ist. Löschflugzeuge gibt es in Deutschland schon mal gar keine.
Kleine Anfrage:
Europäische Zusammenarbeit im Katastrophenschutz
Berichterstattung:
Presseberichterstattung zu Waldbränden
ZF-Werk in Gelsenkirchen-Schalke
Vor einigen Monaten hat mich ein Brief des Betriebsrats des ZF-Werks in Gelsenkirchen-Schalke erreicht. Der Baden-Württemberger Automobilzulieferer plante, das Werk in Gelsenkirchen zu schließen und die Produktion zu verlagern. Für Gelsenkirchen bedeutete das den Verlust von 350 Arbeitsplätzen. Den Betroffenen drohte Arbeitslosigkeit oder ein erzwungener Umzug.
Das konnten wir so nicht hinnehmen. Im engen Austausch mit der Gelsenkirchener Ratsfraktion und Politikern anderer Parteien habe ich mich für einen Verbleib des Werkes in Gelsenkirchen stark gemacht. Unser aller Bemühungen hatten scheinbar Erfolg. Eine Schließung des Werkes ist derzeit vom Tisch. Wir werden wachsam bleiben und darauf achten, dass dies Bestand hat.