Erste Parlamentarische Geschäftsführerin | Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Rede zum radikalen Islamismus

Aus der Niederschrift vom 05.11.2020

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Erst die Attentate in Frankreich und Dresden und nun der schreckliche Anschlag von Wien – wir als Europäerinnen und Europäer dürfen uns durch solche Taten auf gar keinen Fall spalten lassen, sondern müssen eng zusammenstehen, um dem islamistischen Terrorismus und dieser wirklich virulenten Gefahr in unserer Gesellschaft etwas entgegenzusetzen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nur gemeinsam werden wir unsere Werte gegen die Feinde der Freiheit, der Demokratie und der Vielfalt verteidigen. Und da kann ich es nicht ernst nehmen, wenn sich ausgerechnet die Feinde der Freiheit, der Demokratie und der Vielfalt auf der rechten Seite dieses Hauses aufschwingen, genau die Werte, die sie eigentlich zutiefst verabscheuen, auch noch verteidigen zu wollen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Benjamin Strasser (FDP))

Ihr Antrag ist voller Hass, und die Alibimaßnahmen, die da drinstehen, sind auch noch unkonkret. Nein, liebe Kolleginnen und Kollegen, was die AfD hier vorlegt, ist falsch und deshalb abzulehnen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Stattdessen brauchen wir substanzielle Maßnahmen, die unsere Sicherheit und das gesellschaftliche Zusammenleben effektiv verbessern.

Nun wütet der islamistische Terror schon einige Jahre in Europa. Die Muster von Taten und Tätern ähneln sich, aber Konsequenzen bleiben weitgehend aus. Wir müssen bei der Gefahrenerkennung und der Überwachung von Gefährdern und Netzwerken endlich besser werden. Immer wieder begehen Menschen Anschläge, die schon längst im Blick der Sicherheitsbehörden waren, deren wahre Gefährlichkeit aber nicht erkannt wurde. Instrumente wie RADAR-iTe sind gut und wichtig. Wir müssen aber grundsätzlich zu einer besseren Koordination der Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden kommen, Prioritäten vereinbaren und klare Verantwortlichkeiten im GTAZ festlegen. Unsere Vorschläge dazu liegen seit Langem auf dem Tisch, meine Damen und Herren.

(Beifall der Abg. Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Der Fall in Wien legt den Finger in eine weitere Wunde der Sicherheitspolitik, und das ist das Thema „Prävention und Deradikalisierung“.Obwohl wir seit Jahren darüber diskutieren und auch hier immer wieder Konzepte vorgelegt haben, gibt es kein bundesweites Präventionsnetzwerk, in dem alle regionalen Stränge zusammenlaufen. Das muss sich dringend ändern.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir müssen auch endlich an das Umfeld der Täter ran. Ich gebe dem österreichischen Bundeskanzler – ich hätte nicht gedacht, dass ich das einmal sagen würde – unumwunden recht, wenn er sagt: Es geht hier nicht um die Religionsausübung. Aber wir müssen verhindern, dass Menschen Religion missbrauchen, um ihre verfassungsfeindlichen Strategien zu verfolgen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, dem Islamismus entschlossen entgegenzutreten, ist das Gebot der Stunde. Sie von der AfD und Ihre Anträge brauchen wir dafür ganz sicher nicht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Marian Wendt (CDU/CSU) und Benjamin Strasser (FDP) und Helin Evrim Sommer (DIE LINKE))

Wenn ich Ihnen zum Schluss noch einen Rat geben darf: Wenn Sie wirklich etwas zur Sicherheit im Land und zum gesellschaftlichen Frieden beitragen wollen, dann fangen Sie gerne bei sich selber an:

(Marian Wendt (CDU/CSU): Ja!)

Löschen Sie ihre Twitter- und Facebook-Accounts! Hören Sie auf, Hass und Hetze zu verbreiten, und beenden Sie Ihre Versuche, die Gesellschaft zu spalten!

(Abg. Petr Bystron (AfD) meldet sich zu einer Zwischenfrage)

Damit könnten Sie wirklich einen Beitrag leisten, anstatt dem Kalkül islamistischer Terroristen auch noch zu entsprechen.

Ganz herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Marian Wendt (CDU/CSU) und Stefan Liebich (DIE LINKE) – Karsten Hilse (AfD): Sehr peinlich!)

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