Newsletter März 2018
Liebe Leserinnen und Leser,
dies ist mein erster Newsletter seit der Bundestagswahl. Er ist ein Bericht aus einem Parlament, das sich in Kultur und Umgang zwischen den Abgeordneten grundsätzlich verändert hat.
Mit der AfD ist eine Fraktion in den Bundestag eingezogen, die andere Meinungen niederbrüllt, die parlamentarischen Prozesse zu behindern sucht und die Grenzen des Sagbaren immer wieder verschiebt. Ihre Reden und Initiativen entlarven sie in ihrer Haltung. Sie solidarischeren sich mit autoritären Regimen und verhöhnen deren Opfer. Als wir uns alle über die Freilassung von Deniz Yücel gefreut haben, hat die AfD einen Antrag gestellt, nach dem alte Texte Yücels von der Bundesregierung gerügt werden sollten.
Das war schon Realsatire. Eine Fraktion, deren Vorsitzende einst die politische Korrektheit auf dem “Müllhaufen der Geschichte” entsorgen wollte, beantragt die Bewertung der politischen Korrektheit satirischer Texte durch den Bundestag. Spätestens da sollte allen klar geworden sein, dass deren Gegner nicht die “politische Korrektheit” oder die gesellschaftliche Linke ist. Ihr Gegner ist die liberale Demokratie selbst.
Bei diesem Kampf ist die innere Sicherheit ein zentrales Feld. Wenn es um die Ängste von Menschen geht, lässt es sich leicht populistisch sein. Ein Reflex, den wir nicht nur bei der rechten Opposition erleben. Auch die Union ist im Wettstreit um die Stammtische dabei.
Nun wird das Innenministerium mit den neuen Ressorts Bauen und Heimat zu einer überfrachteten Trophäe für den Auftritt in bayerischen Bierzelten. Das wird der innenpolitischen Ausrichtung der Bundesregierung nicht gut tun. Meine grüne Rolle in der Opposition ist dadurch aber klar. Grüne Innenpolitik heißt, Sachlichkeit in eine Zeit der Empörung zu tragen.
In diesem Sinne wünsche ich viel Spaß beim Lesen.
Irene Mihalic
Große Koalition: Sicherheitspolitik ohne Reformimpulse
Auch bei der inneren Sicherheit ist die Koalitionsvereinbarung für all diejenigen eine Enttäuschung, die erwartet haben, dass die neue Regierung den massiven Reformbedarf an der Sicherheitsarchitektur in Angriff nimmt. Stattdessen darf sich der designierte Innenminister aus Bayern eine Heimat-Abteilung einrichten, von der keiner so recht weiß, was da eigentlich passieren soll.
Statt klarer Reformschritte bei den Sicherheitsbehörden verspricht die Bundesregierung lieber mal eben 7500 Stellen, ohne dieses Versprechen konzeptionell zu unterlegen; und statt wie bei den schwarz-gelb-grünen Sondierungen darauf zu bestehen, dass die Stellen nur der Polizei zugutekommen sollen, will schwarz-rot nun auch den Verfassungsschutz noch einmal deutlich stärken, personell und auch auf der Befugnisseite.
Dabei steht uns erneut ein Untersuchungsausschuss bevor, in dem wir die problematische Rolle des BfV in der Sicherheitsarchitektur kritisch beleuchten werden. Da ist es unverständlich, dass die Koalition dem BfV einen Blankoscheck ausstellt, ohne vorher ermittelt zu haben, ob die Behörde mehr zur Bewältigung oder zur Vertiefung sicherheitspolitischer Krisen beigetragen hat.
Endlich startet die Aufklärung auf Bundesebene
Untersuchungsausschuss zum Anschlag auf dem Breitscheidplatz
Nach langem Ringen mit den anderen Fraktionen ist es endlich soweit: Der Bundestag hat am 1. März den Untersuchungsausschuss zum schlimmsten islamistischen Anschlag in Deutschland auf dem Berliner Breitscheidplatz eingesetzt.
Die Grünen hatten die Einsetzung bereits im April 2017 beantragt. Damals hatte sich vor allem die CDU/CSU dagegen ausgesprochen und fand die Initiative der Grünen „peinlich“. Nun gibt es einen breiten parlamentarischen Konsens über die Einsetzung. CDU/CSU, SPD, FDP, Linke und Grüne haben ihre ursprünglichen Anträge in einen gemeinsamen neuen Antrag gegossen. Dieser Konsens war möglich geworden, nachdem SPD und CDU/CSU von ihrer ursprünglichen Positionierung Abstand nahmen, den Untersuchungszeitraum mit dem Tod des Attentäters Anis Amris enden zu lassen.
Eine solche Limitierung hätte alle weiteren relevanten Entwicklungen nach Amris Tod außer Acht gelassen. Gemeinsam mit FDP und Linken haben wir uns erfolgreich dafür stark gemacht, das Enddatum zu streichen. An der Erarbeitung des Auftrags beteiligte sich die AfD übrigens in keiner Weise und ihre Vertreter saßen quasi als stille Zuhörer in den Gremiensitzungen.
Kurz vor Einsetzung hat dann die AfD plötzlich einen unsachgemäßen Änderungsantrag eingebracht, um die Debatte von rechts anzuheizen. Dieses Vorgehen habe ich unter anderem in einem Phönix-Interview, bei dem auch der AfD-Politiker Thomas Seitz zugegen war, transparent gemacht. Leider bestimmt dieser Stil – Schweigen in den Arbeitsgremien, hetzen wenn die Kameras laufen, die parlamentarische Arbeit der AfD insgesamt, was sich auch bei der Debatte zu den Schaufenster-Anträgen zu Gefährdern und Kriminalität nachvollziehen lässt.
Thema Grenzkontrollen
Es ist davon auszugehen, dass die Große Koalition Grenzkontrollen noch einige Zeit fordern und fortsetzen wird, ganz gleich wie wenig das zur Idee eines freien Europa und dem europäischen Gedanken passt. Aber nicht alle Abschottungsphantasien werden wahr. Eine bayrische Grenzpolizei jedenfalls wird es vorerst nicht geben. So jedenfalls die Antwort der Bundesregierung auf meine Schriftliche Frage:
Presse:
Extremwetterereignisse 2017 im Hinblick auf den Bevölkerungsschutz
Verfolgt die Bundesregierung die Entwicklung extremer Wetterereignisse der letzten Jahre, oder sieht sie hier allein die Bundesländer in der Pflicht, die für den zivilen Katastrophenschutz in erster Linie zuständig sind? Dieser Frage nachzugehen, bot sich an, da das Jahr 2017 durch eine ganze Reihe auffälliger Extremwetterereignisse gekennzeichnet war. Schwere Stürme und Starkregen haben verheerende Schäden angerichtet und vielfach das öffentliche Leben lahmgelegt.
Außerdem erwarten Expertinnen und Experten eine weitere Zunahme von solchen Ereignissen im Zuge des Klimawandels. Das sieht auch die Bundesregierung so: Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit stellt fest, dass Wetterereignisse wie Hitzewellen, Stürme und Starkregen zunehmen. Grund genug also sich über die Leistungsfähigkeit des Bevölkerungsschutzes in Deutschland einige Gedanken zu machen, zumal deren Systeme, die ganz wesentlich von ehrenamtlichem Engagement getragen werden, einst mit einer deutlich anderen Zielsetzung geschaffen wurden.
Presse:
Reichsbürger – eine Bedrohung für die innere Sicherheit
Ende Januar hat uns die Bundesregierung in Beantwortung unserer Frage mitgeteilt, dass es derzeit ca. 15000 Reichsbürger davon seien 900 Rechtsextreme (vgl. dazu auch: Handelsblatt). Immer noch 1000 Reichsbürger verfügen über eine waffenrechtliche Erlaubnis. Im Phänomenbereich Reichsbürger wurden unter politisch motivierter Kriminalität (PMK) in 2017 771 Straftaten erfasst, davon 115 Gewaltdelikte. Wenn man Nötigung dazuzählt kommt man auf 366 Gewalttaten. Das alles zeigt noch einmal sehr eindringlich, wie konkret die Gefahr ist, die von Reichsbürgern für die innere Sicherheit ausgeht.
Schon gibt es Berichte, nach denen man bei Verfassungsschutzbehörden davon ausgeht, dass Reichsbürger paramilitärische Gruppierungen gründen. Leider bleibt es dabei, dass die Bundesregierung den Ernst der Lage noch nicht erkannt hat. So relativiert sie die Gefahr, indem sie uns damit beruhigen möchte, dass ja nur 0,018% der Bevölkerung Reichsbürger seien. Das ist schon eine mehr als seltsame Einordnung und mir ist nicht bekannt, dass Regierungen und Sicherheitsbehörden das Gefahrenpotential der RAF oder von Salafisten einmal in ähnlicher Weise relativiert hätten.
Gewaltbereiter Islamismus: Präventions- und Deradikalisierungsstrategie – Fehlanzeige
Die Antwort der Bundesregierung auf unsere Kleine Anfrage zu Präventions- und Deradikalisierungsstrategien mit Blick auf die IS-Rückkehrer zeigt diverse Leerstellen in der Sicherheitspolitik der Bundesregierung auf. Vor allem offenbart das Bundesinnenministerium ein gefährliches Halbwissen über mutmaßliche Dschihadisten, Rückkehrer und Radikalisierungsverläufe.
Man hat weiter keinen Überblick darüber, wie viele der mit großem öffentlichen Brimborium eingeführten Ersatzpersonalausweise für Gefährder tatsächlich ausgegeben wurden. Man weiß nur von knapp 40% derer, denen eine Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland untersagt ist, dass sie nicht nach Syrien oder in den Irak ausgereist sind, was die anderen 60% so machen scheint für die Bundesregierung nicht von Interesse zu sein. Mit den Radikalisierungsverläufen von 80 Rückkehrern hat man sich befasst, die anderen ca. 240 bleiben unanalysiert. Das alles hat mit solider, faktenbasierter Sicherheitspolitik nichts zu tun.
Einsatz im Revier
Parlament in Praxis und Selbstversuch
Ende Januar kam die erste Besuchergruppe des Jahres 2018 nach Berlin. Sie erwartete ein spannendes Programm, in dem der Bundestag quasi doppelt vorkam.
Jugend im Parlament
Wer jetzt Lust bekommen hat, auch mal in die Rolle der Bundestagsabgeordneten zu schlüpfen und zwischen 17 und 20 Jahre alt ist, kann sich für Jugend im Parlament bewerben. Das ist ein Planspiel, das vom 23. bis 26. Juni 2018 einen Einblick ins Parlament liefern soll.
Informationen zur Bewerbung und Kontaktdaten findet Ihr hier.