Wir kämpfen für Sicherheit, weil es um unsere Freiheit geht
Irene Mihalic war 20 Jahre als Polizistin tätig, ehe sie 2013 für die Grünen in den Bundestag einzog. Dort ist sie inzwischen Sprecherin für Innenpolitik der grünen Bundestagsfraktion. Im Interview mit gruene.de spricht sie über ihre Motivation, von der Polizei in die Politik zu gehen und das Verhältnis zwischen Polizei und Grünen. Dabei fordert sie angesichts der gewachsenen Herausforderungen mehr Personal und eine bessere Ausstattung für die Polizei.
Wie kommt eine Polizistin eigentlich zu den Grünen?
Irene Mihalic: Schon meine Motivation Anfang der 1990er zur Polizei zu gehen, hatte sehr viel damit zu tun, dass ich mich angesichts der rechtsextremen Anschläge von Rostock, Mölln, Solingen oder Hoyerswerda unbedingt engagieren wollte. Der Kampf gegen Rechts, aber auch die Themen Umwelt- und Klimapolitik haben mich immer stärker politisiert und irgendwann wollte ich mich dann auch politisch positionieren und mitgestalten. Da kamen für mich nur die Grünen in Frage. Überhaupt ist es ja so, dass es bei der Polizei ein ebenso breites Spektrum politischer Meinungen gibt wie in der Gesellschaft. Das sichtbar zu machen ist ein schöner Nebeneffekt meines politischen Engagements.
Wurdest Du schräg angeschaut? Unter dem Motto: Will der Staat in der Gestalt von „Bullen“ jetzt unsere Partei unterwandern.
Im Gegenteil: Es war von Anfang an eine große Offenheit da. Man war geradezu froh darüber, mal mit jemandem über die Rechtmäßigkeit von polizeilichen Maßnahmen sprechen zu können, der das aus Polizei-Sicht bewerten kann. Generell hat sich ja das Verhältnis von Polizei und Grünen in den letzten Jahrzehnten sehr entkrampft. Wir Grüne stehen für einen verlässlichen, wenn auch kritischen Dialog.
Und wie ist das umgekehrt? Trauen die Sicherheitsbehörden den Grünen über den Weg?
Ich glaube, auch da hat sich in letzter Zeit einiges gewandelt. Natürlich haben wir an vielen Stellen, z.B. bei der Vorratsdatenspeicherung, andere Einschätzungen als viele bei der Polizei. Jedoch gibt es auch Gemeinsamkeiten, wie etwa bei der Personalpolitik. Wir Grüne haben schon vor einigen Jahren gesagt: Die Sparpolitik der Bundesregierung ist höchst bedenklich. Zudem sind wir in unseren Analysen, beispielsweise von Polizeieinsätzen, erkennbar an Ausgewogenheit interessiert. So haben wir die Arbeit der Polizei in der Kölner Silvesternacht 2015/16 ebenso aufgearbeitet, wie den Einsatz bei der rechtsextremen HoGeSa-Demo. Bei den Blockuppy-Ausschreitungen haben wir klar vernehmbar gesagt, dass die Gewalt der Demonstranten gegenüber der Polizei in keiner Weise hinnehmbar ist.
Du sagst: Die von „Law and Order“ geprägte Sicherheitskonzeption hat versagt. Es sei Zeit für einen rechtstaatlichen und freiheitlichen Neubeginn. Was meinst Du damit?
Damit meine ich vor allem, dass die Bürgerinnen und Bürger heute selbstbewusst an der Debatte über die richtige Sicherheitspolitik teilnehmen wollen. Staat und Polizei sind Dienstleister der Menschen und nicht eine ferne Obrigkeit. Sie sind dem Gesetz verpflichtet und nicht irgendeiner Politik. Diese Sicht ist bei der Bundesregierung und den sie tragenden Fraktionen noch nicht richtig durchgedrungen. Deshalb neigt sie dazu, auf die Bedrohung der inneren Sicherheit mit Konzepten aus der Mottenkiste zu reagieren, die zu Einschnitten bei Freiheit und Bürgerrechten führen. Dabei geht es gerade um den Schutz des liberalen Verfassungsstaats. Wir Grüne stehen für eine Sicherheitspolitik des 21. Jahrhunderts, die Transparenz, Rechtstaatlichkeit und Demokratie als konstitutiv ansieht und nicht als lästigen Hemmschuh.
Wie können wir in Zeiten vom allgegenwärtigen Terror gleichzeitig für Freiheit und Sicherheit eintreten?
Freiheit und Sicherheit sind keine Gegensätze. Wir setzen uns vielmehr deshalb für ein Höchstmaß an Sicherheit ein, weil es uns um unsere Freiheit geht. Der Staat ist in der Pflicht, für möglichst viel Sicherheit zu sorgen. Deshalb brauchen wir ausreichend Personal bei den Polizeien, mit guter Ausbildung und Ausstattung. Wir brauchen zudem eine gute Kooperation der Sicherheitsbehörden bei der Kriminalitäts- und Terrorbekämpfung, weil Maßnahmen oft über Ländergrenzen hinweg koordiniert werden müssen. Wenig hilfreich ist es, wenn die Politik auf Anschläge oder andere Formen der Kriminalität mit Maßnahmen aus dem hohlen Bauch heraus reagiert. Erst analysieren, dann handeln. Für diese Reihenfolge steht grüne Sicherheitspolitik.