Erste Parlamentarische Geschäftsführerin | Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Rede zum PKK-Verbot in Deutschland

Irene Mihalic im Plenum des Bundestages

Auf einen Antrag der Linksfraktion. Aus dem Protokoll vom 26.02.2015:

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Selbstverständlich ist ein Vereinsverbot in einem Rechtsstaat nicht in Stein gemeißelt; denn Situationen und Menschen können sich natürlich ändern. Aber auch nach Ihrer Rede, liebe Kollegin Jelpke, finde ich, dass Sie es sich mit Ihrem Antrag doch ein ganz klein wenig zu einfach machen.

(Marian Wendt (CDU/CSU): Richtig!)

Sie wollen das PKK-Verbot hier in Deutschland aufheben, begründen das aber in Ihrem Antrag und auch in weiten Teilen Ihrer Rede fast ausschließlich mit den Verhältnissen im Ausland. Eine Bewertung der Aktivitäten der PKK im Inland bleibt dabei aber außen vor. Das finde ich schon erstaunlich, weil wir hier über ein innerstaatliches Verbot sprechen.

Die Bundesregierung verhält sich hier leider nicht minder widersprüchlich; mein Kollege Ströbele hat das vorhin an einem schönen Beispiel illustriert. Es ist zwar richtig, Herr Binninger, dass die Waffen an die kurdische Regionalregierung geliefert werden. Aber Sie nehmen doch dabei billigend in Kauf, dass die Waffen auch in die Hände der PKK gelangen. Das muss man einfach einmal so festhalten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auf der anderen Seite werden Menschen kriminalisiert, die in einer Fußgängerzone in Deutschland Geld für die PKK sammeln. Mit diesem Widerspruch müssen wir irgendwie klarkommen. Darüber müssen wir reden. Aber sind das jetzt auch gute Gründe dafür, das PKK-Verbot aufzuheben? Das ist doch die entscheidende Frage. Ich persönlich habe da erst einmal einige Fragen; denn allein der Kampf der PKK gegen den gemeinsamen Feind „Islamischer Staat“ reicht dafür meines Erachtens nicht aus.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Wir müssen uns natürlich auch den Friedensprozess in der Türkei anschauen. Ich finde aber, dass dieser Friedensprozess äußerst fragil ist. Gerade Erdogan spielt in diesem Zusammenhang keine rühmliche Rolle und agiert immer wieder als Brandstifter. Auch setzt er wichtige Schritte im Friedensprozess praktisch nicht um. Wir können also nicht davon ausgehen, dass dieser Konflikt in der Türkei bald beigelegt ist.

Auch für einen Gewaltverzicht der PKK gibt es meiner Ansicht nach keine überzeugenden Anhaltspunkte. In offiziellen Äußerungen setzt die PKK die Türkei mit dem „Islamischen Staat“ gleich und sagt, dass beide bekämpft werden müssen.

(Ulla Jelpke (DIE LINKE): Die Türkei unterstützt ja auch den „Islamischen Staat“!)

Wäre es in dieser Situation tatsächlich richtig, das PKK-Verbot hier in Deutschland aufzuheben? Ich stelle diese Frage ganz bewusst. Ich habe darauf keine Antwort. Aber ich finde, mit dieser Frage müssen wir uns beschäftigen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für den gewaltbereiten Teil der PKK ist der Kampf gegen das türkische Militär existenziell. Um noch einmal auf die Situation im Nahen Osten einzugehen, die auch Sie vorhin schon angesprochen haben: Es gibt sogar Berichte über Zwangsrekrutierungen von Minderjährigen und Frauen und über massive Menschenrechtsverletzungen in diesem Kampf in Syrien. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich finde, diese Dinge können wir bei einer Neubewertung des PKK-Verbots nicht ignorieren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Ulla Jelpke (DIE LINKE): Das halte ich für ganz böse Gerüchte!)

Wir können auch nicht ignorieren, wie sich die PKK hier in Deutschland verhält. Mal propagiert sie, auf Gewalt zu verzichten, dann wieder  zum Beispiel im September 2014; das ist also noch nicht so lange her  wird zu aktiven Aktionen mobilisiert unter der Prämisse: Der Protest reicht nicht aus, es muss Widerstand geleistet werden.

Wir haben die zahlreichen Demonstrationen erlebt, zum Teil verbunden mit schwersten Ausschreitungen. Es wurden Flughäfen, Bahnhöfe, Parteibüros, zeitweise sogar Rundfunksender besetzt. PKK-Anhänger haben sogar versucht, gewaltsam in den Sicherheitsbereich des Frankfurter Flughafens einzudringen.

(Zurufe von der LINKEN)

Da muss man sich schon mal die Frage stellen, wie ernst es die PKK mit dem Gewaltverzicht hier im Inland meint.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD  Dr. Diether Dehm (DIE LINKE): Ich habe schon einmal Grüne erlebt, die etwas besetzt haben! – Weitere Zurufe von der LINKEN)

– Bevor Sie sich jetzt weiter aufregen, Herr Kollege: Trotzdem ist es natürlich richtig, die Situation neu zu bewerten

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

und diese Fragen, die ich vorhin aufgeworfen habe, zu klären. Ich finde, hier muss die Bundesregierung präzise beantworten, wie die jüngsten Ereignisse in der Türkei, im Nahen Osten und in Deutschland einzuschätzen sind, wie groß die Gefahren für die innere Sicherheit hier im Land tatsächlich sind und welche positiven wie auch negativen Auswirkungen das PKK-Verbot tatsächlich hat.

Die PKK muss dabei natürlich auch die Chance haben, zu zeigen, dass sie sich tatsächlich gewandelt hat und auf Gewalt verzichtet. Das muss sie aber auch glaubhaft tun. Das ist mir sehr wichtig. Natürlich darf die PKK von uns Offenheit für Veränderungen erwarten. Aber ich finde, wir dürfen von der PKK auch echte Bemühungen und tatsächlichen Gewaltverzicht verlangen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

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