Aus dem Protokoll vom 29.6.2017
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Mit unserem Gesetzentwurf zur Einrichtung eines Polizeibeauftragten beim Deutschen Bundestag wird eine wichtige Forderung umgesetzt, die – wie wir gerade jetzt wieder gehört haben bzw. noch hören werden – drei von vier Fraktionen hier im Haus verbindet.
Ich bin dankbar für die Worte der Kollegen Gunkel und Tempel. Sie haben viele Beispiele genannt, weshalb eine solche Einrichtung wirklich sinnvoll ist. Deswegen kann ich mich hier auf ein paar Grundsätzlichkeiten beschränken und das Gesagte noch einmal sinnvoll zusammenfassen.
Bei der Stelle geht es im Kern um die Kontrolle des staatlichen Gewaltmonopols im Innern und um eine moderne Verwaltung, die sich dessen bewusst ist, dass sie gegenüber dem Parlament und den Bürgerinnen und Bürgern zur Rechenschaft für ihr Handeln verpflichtet ist. Es geht aber eben auch um die Beschäftigten der Polizeien des Bundes und ihre Sicht auf die Dinge sowie um bessere Arbeitsbedingungen und einen besseren Schutz der betroffenen Bürgerinnen und Bürger. Beides bedingt sich. Wir müssen beides stärken. Beides ist auch Teil unserer grundrechtlichen Position.
Der Kollege Gunkel hat vorhin zu Recht folgenden Sachverhalt beschrieben: Wenn zum Beispiel Polizisten Zeugen einer Straftat, begangen von ihren Kollegen, werden und den Fall aus verständlichen Gründen eben nicht sofort zur Anzeige bringen, dann sollten sie sich an eine Stelle außerhalb der Polizei wenden können, ohne befürchten zu müssen, selbst wegen Strafvereitelung angezeigt zu werden.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Lieber Kollege Baumann, dann hilft eben leider auch der Petitionsausschuss nicht weiter. Denn der eigentliche Fall kann nicht aufgeklärt werden, wenn alle Beteiligten die Aussage verweigern.
Allein daran sieht man: Das bestehende System steht einer echten Fehlerkultur leider im Weg, und das muss sich dringend ändern.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Frank Tempel (DIE LINKE))
Kollege Gunkel, damit sollen keine Parallelermittlungen durchgeführt werden. Auch das ist ein weitverbreitetes Missverständnis. Es geht im Kern um das Nachvollziehen der Ermittlungen, um parlamentarische Kontrolle und Aufarbeitung solcher Fälle. Und dabei geht es eben auch ganz konkret um die Weiterentwicklung einer Sicherheitsarchitektur, die bundesweit – auch für die Bundesländer, die eine solche Einrichtung noch nicht haben – als Vorbild dienen könnte. Das hat auch eine große Anzahl von Experten in der Anhörung bestätigt.
Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU – das muss ich Ihnen an dieser Stelle jetzt noch einmal sagen -, haben für die Anhörung im Ausschuss – das tut mir sehr leid – Rainer Wendt als Sachverständigen benannt. Allein schon durch die Benennung dieses Sachverständigen haben Sie sehr deutlich gemacht, was Sie von parlamentarischer Kontrolle der Polizei, Verantwortlichkeit und sachgerechter Aufarbeitung halten.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Wir sagen: Ein Fehlverhalten darf weder unter den Teppich gekehrt noch drakonisch bestraft werden. Es ist immer wichtig, nach den Ursachen zu fragen: Wie ist es zu einem Fehler gekommen? Was kann in Zukunft besser laufen? – Ein Polizeibeauftragter würde hier einen wichtigen Beitrag liefern und uns hier im Parlament eine wichtige und neutrale Innensicht in die Polizei hinein ermöglichen – auch für mehr Sachlichkeit in der öffentlichen Diskussion.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Frank Tempel (DIE LINKE))
Das ist auch notwendig, weil sich die Arbeitsweise und die Befugnisse der Polizei in den letzten 15 Jahren stark verändert haben. Das ist zum Teil auch eine Folge der Digitalisierung und von neuen Befugnissen, die die Polizei hat. Gleichzeitig hat man die Hürden für die Strafbarkeit bei manchen Delikten so weit gesenkt, dass es auch darum geht, zum Schutz der Grundrechte und für mehr Transparenz und Effizienz im Sinne eines echten Gewinns für die innere Sicherheit die Wirkungen einem parlamentarischen Blick zu unterziehen.
Jedes Mal, wenn es um die Erweiterung polizeilicher Befugnisse und die Verschärfung des Strafrechts geht, steht die Große Koalition zusammen. Sie haben es im Ausschuss leider abgelehnt, an dieser Stelle einmal die bürgerrechtliche Position zu stärken.
Es würde mich sehr freuen, wenn unser Gesetzentwurf hier im Haus eine breite Zustimmung finden würde. Darum haben wir Grüne uns in Gesprächen mit der Linken, mit der SPD und auch mit der Union sehr bemüht. Die Rückmeldung aus der Union, Herr Schuster, war aber, dass Sie den Polizeibeauftragten zwar auch irgendwie wollen, aber erst nach der Wahl in einer Koalition verhandeln wollen. Das kostet nur Zeit,
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Armin Schuster (Weil am Rhein) (CDU/CSU): Mit wem haben Sie denn gesprochen? – Günter Baumann (CDU/CSU): Sind bestimmt Gerüchte!)
es sei denn, es geschieht vielleicht noch ein Wunder und die Kanzlerin gibt noch ein Interview in der Brigitte.
(Beifall der Abg. Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE))
Dann findet sich vielleicht auch dafür eine Mehrheit hier im Haus, wenn diese Entscheidung zur Gewissenentscheidung erklärt wird.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Ansonsten müssen wir vermutlich auf die nächste Wahlperiode warten, was ich sehr bedaure. Dann sind Sie, Kollege Gunkel, und Sie, lieber Herr Baumann, leider nicht mehr dabei.
(Armin Schuster (Weil am Rhein) (CDU/CSU): Ihr vielleicht ja auch nicht! Das ist ja auch schade!)
Ich hoffe trotzdem auf breite Zustimmung zu unserem Gesetzentwurf – wenn nicht heute, dann hoffentlich in der nächsten Wahlperiode.
Ganz herzlichen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)