Antrag: Grundwerte der deutsch-französischen Europapolitik wahren – Lang dauernde Binnengrenzkontrollen beenden
Drucksache 19/5550
Antrag der Abgeordneten Dr. Irene Mihalic, Dr. Konstantin von Notz, Dr. Franziska Brantner, Luise Amtsberg, Canan Bayram, Agnieszka Brugger, Britta Haßelmann, Ottmar von Holtz, Katja Keul, Monika Lazar, Dr. Tobias Lindner, Filiz Polat, Tabea Rößner, Claudia Roth (Augsburg), Dr. Manuela Rottmann, Manuel Sarrazin, Dr. Frithjof Schmidt und der Fraktion BÜNDNIS 90 /DIE GRÜNEN
Der Bundestag wolle beschließen:
I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Das Versprechen – „Wir werden die Grenzen zwischen unseren Ländern abschaffen“ –, das Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl und der französische Präsident François Mitterrand 1984 gaben, ist mittlerweile durch den Schengener Grenzkodex zumindest für den Schengen-Raum eingelöst.
Dieses eingelöste Versprechen gewährleistet die grundrechtsgleiche Freiheit der europäischen Bürgerinnen und Bürger, sich in der Europäischen Union frei zu bewegen. Diese Freiheit ist für den Zusammenhalt einer erlebbaren Europäischen Union von grundlegender Bedeutung. Es ist daher Aufgabe der deutsch-französischen Europapolitik, dieses Vermächtnis von Kohl und Mitterrand zu verteidigen.
Die nunmehr seit über drei Jahren angeordneten Grenzkontrollen an der deutsch- österreichischen Grenze missachten dieses Vermächtnis von Kohl und Mitterrand.
II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, die Grenzkontrollen an der deutsch-österreichischen Grenze – entgegen der Ankündigung des Bundesministers des Innern, für Bau und Heimat, Horst Seehofer – nicht über den 11.11.2018 hinaus zu verlängern.
Begründung
Mit Pressemitteilung vom 12.10.2018 hat Bundesinnenminister Seehofer angekündigt, die Binnengrenzkontrol- len an der deutsch-österreichischen Landgrenze ab dem 12.11.2018 für weitere sechs Monate zu verlängern. Diese Kontrollen dauern bereits seit mehr als drei Jahren an.
Gegen diese Kontrollen bestehen auch rechtlich in mehrerlei Hinsicht schwerwiegende Bedenken: Art. 22 des Schengener Grenzkodex (GK) bestimmt:
„Die Binnengrenzen dürfen unabhängig von der Staatsangehörigkeit der betreffenden Personen an jeder Stelle ohne Personenkontrollen überschritten werden.“
Ausnahmen lässt der Schengener Grenzkodex nur in engen Grenzen und mit zeitlichen Beschränkungen zu. Der Sache nach spricht viel dafür, dass die obere zeitliche Grenze für derartige Maßnahmen – auf Grundlage der gleichen Begründung – bei 24 Monaten liegt (vgl. Art. 25 Abs. 4 Satz 2 und 29 GK). Diese Frist ist bereits überschritten. Die Verlängerung der Grenzkontrollen kann daher als Bruch des Grenzkodex bewertet werden. Den Aussagen von EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos („Es ist der Moment, das zu beenden“, „Wir können in der Zukunft nicht so weitermachen“) kann bei dieser Rechtslage nur zugestimmt werden (zitiert nach www.zeit.de/politik/deutschland/2018-10/schengen-raum-grenzkontrollen-oesterreich-horst-seehofer-eu-aus- sengrenzen).
Die Grenzkontrollen werden überdies in einem intransparenten Zusammenwirken von der Bundespolizei gemein- sam mit einem neu gegründeten bayerischen Grenzschutz durchgeführt, der nach dem Willen der bisherigen CSU-Staatsregierung bis zum Jahr 2023 jährlich um 100 Stellen wachsen soll, bis insgesamt „1000 Stellen im Jahr 2023“ erreicht sind. Für die Rechtsgrundlagen, die das Land Bayern geschaffen hat, bestehen dabei ernste Bedenken, ob diese mit dem Grundgesetz vereinbar sind (vgl. Gutachten Schönberger/Kingreen auf www.gruene-bundestag.de):
„Die Errichtung einer bayerischen Grenzpolizei mit den ihr parallel zur Bundespolizei zugewiesenen Aufgaben und Befugnisse untergräbt die föderale Kompetenzverteilung im Bereich des Grenzschutzes. Sie stellt damit zugleich die durch das Demokratieprinzip geforderte Zuordnung von politischer Verantwortung und die rechtsstaatlich notwendige Bestimmtheit und Klarheit der Kompetenzordnung in Frage.“
Auf die vorgenannten rechtlichen Bedenken kommt es aber bei der politischen Bewertung des Handelns des Bundesinnenministers noch nicht einmal an. Schon die Kollaboration mit den bayerischen Parteifreunden, die – wie oben dargestellt – einen dauerhaften massiven Aufbau eines Grenzschutzes vornehmen wollen, zeigt, dass hier ein Bruch mit dem Vermächtnis von Kohl und Mitterrand angestrebt wird. Die Bürgerinnen und Bürger in Bayern und Österreich trennende Grenzkontrollen sollen zu einer dauerhaften europäischen Normalität werden. Dem muss jetzt ein Riegel vorgeschoben werden. Die Grenzkontrollen dürfen daher nicht weiter verlängert werden.