Erste Parlamentarische Geschäftsführerin | Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Dieser Aufgabe müssen wir gemeinsam gerecht werden – Rede zum ersten Jahr nach der Wahl

Auszug aus der Niederschrift vom 30.09.2022

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! „ … Zeit für Klarheit und Führung“, der Titel Ihrer Aktuellen Stunde, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, trifft das Lebensgefühl vieler Menschen in Deutschland, und zwar vor der Bundestagswahl im letzten Jahr. 

(Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Denn genau darum ging es im September 2021, genau das haben die Leute damals vermisst: Klarheit und Führung. 

Ich finde es eigentlich ganz gut, dass wir jetzt im Rahmen dieser Aktuellen Stunde wirklich mal die Gelegenheit haben, Danke sagen zu können: danke an Olaf Scholz, Christian Lindner, Robert Habeck, Annalena Baerbock 

(Zuruf von der CDU/CSU: Oh, jetzt müssen Sie ihnen schon die Seele streicheln! – Zuruf von der AfD: Das klingt für die Bürger wie Hohn!)

und das gesamte Bundeskabinett, das gemeinsam mit den Koalitionsfraktionen in der Ampel diesem Führungsauftrag mit all seiner Kraft, beherzt und mit Verstand nachkommt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Stellen wir uns einmal vor, wir müssten all diesen Krisen noch mit derselben unionsgeführten Regierung begegnen – ein Albtraum, meine Damen und Herren:

(Zuruf von der FDP: Hölle! Um Gottes willen!)

eine unionsgeführte Regierung, die Europa und internationale Beziehungen verwaltet statt gestaltet hat, Kuschelkurs statt Klarheit, keine Spur von wertebasierter Außenpolitik. 

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Sie haben sich weggeduckt, als Putin seine Aggression begonnen hat! Sie haben ihn gewähren lassen: „Billiges Gas first, Völkerrecht second.“ 

(Thorsten Frei (CDU/CSU): Wer war da noch gleich Außenminister?)

Sie haben die Versorgung unseres Landes mit Ihrer rückwärtsgewandten Energiepolitik in die Hände des Aggressors gelegt, der die Ukraine mit diesem schrecklichen Angriffskrieg überzieht, und diese Abhängigkeit gilt es nun in mühevoller Kleinarbeit zu beenden. 

Und nein, wir sehen den fossilen Weg, der uns erst in diese aktuelle Energiekrise geführt hat, nicht als Ausweg, sondern als historischen Holzweg, Herr Frei, den wir so schnell wie möglich verlassen müssen. 

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP – Thorsten Frei (CDU/CSU): Mit den Grünen wären wir noch stärker gasabhängig!)

Wir können uns das Stolpern von Krise zu Krise nicht mehr leisten. Die Folgen des Klimawandels, sie sind greifbar, sie sind sichtbar, sie sind evident, meine Damen und Herren. Es ist ein Sinnbild, wenn französische Atomkraftwerke aufgrund des Wassermangels immer weniger Energie erzeugen. Leider verstehen Sie von der Union dieses Sinnbild offenbar nicht und sagen: More of the same. Wir sagen: Nicht mit uns!

(Thorsten Frei (CDU/CSU): Ihr Minister hofft doch, dass die schnell wieder ans Netz kommen!)

Es ist Zeit für Klarheit und Führung, und zwar hinein in das Zeitalter der erneuerbaren Energien. 

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Es ist natürlich in gewisser Hinsicht eine bittere Ironie der Geschichte, dass nun gerade wir als Ampel in diesem Jahr kurzfristig und pragmatisch dafür sorgen mussten, die Energieversorgung in unserem Land sicherzustellen und unser Land aus der Abhängigkeit des Aggressors zu befreien. Unser Wirtschaftsminister Robert Habeck hat sich im wahrsten Sinne des Wortes die Hacken abgelaufen und dafür gesorgt, 

(Peter Beyer (CDU/CSU): Robert „Hackbeck“, oder was?)

dass die Gasspeicher, die Sie uns annähernd leer hinterlassen haben, jetzt praktisch zu 100 Prozent befüllt sind. Das ist eine großartige Leistung, und ich mag mir gar nicht vorstellen, wo wir heute stehen würden, wenn sein Vorgänger noch im Amt wäre.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Nun geht es darum, unsere Gesellschaft, die Menschen, die Wirtschaft, unser Land gut durch diesen Winter zu bringen. Dafür spannen wir jetzt auch den 200-Milliarden-Abwehrschirm auf. Gemeinsam wollen wir Putin zeigen, dass unsere Werte von Freiheit, Demokratie, Rechtsstaat, Würde und Humanität stärker sind als sein grausamer Chauvinismus.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Aber genau diesen Geist vermisse ich bei der Union schmerzlich. Sie suchen lieber den billigen Punktgewinn, als ob es keine Krisen gäbe, als ob es keinen Krieg in Europa gäbe. Wie sonst ist es denn zu erklären, dass die einst so staatstragende Volkspartei sich in die Fundamentalopposition verabschiedet hat? Wie geht das? Vielleicht können Sie das gleich mal erklären? 

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Anstatt pragmatisch mit uns nach Lösungen zu suchen und die Menschen endlich zu entlasten, spricht Ihr Partei- und Fraktionsvorsitzender Friedrich Merz bei Geflüchteten aus der Ukraine von „Sozialtourismus“. Das ist Treibstoff für die Propagandamaschinerie von Wladimir Putin, und man fragt sich schon, in welchen Blasen Sie da eigentlich unterwegs sind. Dabei braucht es die Union dringend, und zwar als konstruktive, demokratisch-konservative Kraft.

(Jan Korte (DIE LINKE): Das finde ich nicht!)

– Doch, wir brauchen die Union. – Wir brauchen eine Union, die sich eben nicht nach rechts ziehen lässt, sondern die Menschen auch für die Mitte gewinnt. 

(Thorsten Frei (CDU/CSU): Wir sind die einzige Partei, die sich nach links und rechts abgrenzt!)

Die demokratische Mitte zu stabilisieren, ist nämlich die Aufgabe von uns allen in dieser besonderen Zeit, und dieser Aufgabe müssen wir alle zusammen gerecht werden, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

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