Erste Parlamentarische Geschäftsführerin | Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

CDU/CSU legen die Axt an den Rechtsstaat – Rede zum Antrag der Union zu den Klimaprotesten

Auszug aus der Niederschrift vom 10.11.2022

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie es mich gleich vorweg sagen: Protest- und Aktionsformen, die dazu geeignet sind, die Sicherheit von Menschen zu gefährden, lehnen wir mit aller Entschiedenheit ab, meine Damen und Herren. 

(Beifall der Abg. Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und Sonja Eichwede (SPD) – Dr. Günter Krings (CDU/CSU): Aber? – Stephan Brandner (AfD): Ich glaube, das war nicht ganz die Wahrheit, Frau Mihalic! Kehren Sie zur Wahrheit zurück!)

Das gilt auch völlig unabhängig davon, ob der Grund für den Protest berechtigt sein mag oder nicht; darüber haben wir in einer Demokratie sowieso nicht zu befinden. Protest darf und soll kreativ sein, und ja, Protest darf auch stören. Aber er findet seine Grenzen, wo Leib und Leben von Menschen gefährdet werden oder die Schwelle zu Straftaten überschritten wird. 

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Dr. Günter Krings (CDU/CSU): Nur da?)

Es wird auch nicht besser, wenn Proteste unter dem Label „Klimaschutz“ laufen. Ganz im Gegenteil: Die „Letzte Generation“ erweist dem Klimaschutz einen Bärendienst und streut all denen Sand ins Getriebe, die sich ernsthaft und aufrichtig für eine wirksame Klimaschutzpolitik einsetzen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD, der CDU/CSU und der FDP – Stephan Brandner (AfD): Autostau für den Klimaschutz!)

Denn das Prinzip, dass der Zweck die Mittel heiligt, können wir im Rechtsstaat nicht akzeptieren.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Darüber hinaus sind diese gefährlichen Aktionen mit Blick auf den vermeintlichen Zweck auch noch völlig nutzlos; denn jetzt reden ja wieder alle nur über Protestformen, über das, was geht, was nicht geht, über Straßenblockaden, über Tomatensuppe auf Gemälden, aber eben nicht über die massiven Folgen der Klimakrise. Selbst jetzt, während der COP 27, überlagern die Debatten um den Protest die wichtigen Diskussionen und Entscheidungen, die global gegen diese existenzielle Bedrohung durch die Klimakrise stattfinden bzw. getroffen werden müssen. Die gefährlichen Aktionen der sogenannten „Letzten Generation“ sind daher klimapolitisch kontraproduktiv. Sie sind rechtsstaatlich hoch problematisch und damit vollkommen inakzeptabel.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Jetzt komme ich zum Antrag der Union. Liebe Kolleginnen und Kollegen der Union, das, was Sie hier machen, ist mindestens genauso hart am Thema vorbei wie die Proteste, für die Sie jetzt eine Strafverschärfung fordern.

(Widerspruch bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Sie haben ja geradezu nur nach einer Gelegenheit gesucht, von Ihrem eigenen Scheitern in der Klimapolitik ablenken zu können, indem Sie jetzt nicht nur die „Letzte Generation“, sondern gleich die gesamte Klimaschutzbewegung diffamieren, so wie Herr Dobrindt im Konzert mit Herrn Seitz, wie wir gerade alle hören konnten, von einer „Klima-RAF“ spricht. Damit, Herr Dobrindt, stellen Sie nicht nur alle in den Senkel, die sich ernsthaft und gewaltfrei für mehr Klimaschutz einsetzen, 

(Helge Limburg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Richtig!)

sondern Sie stellen die Opfer von vorsätzlichem Mord und brutalem Terrorismus in eine Reihe mit Autofahrern, die im Stau stehen. Das kann doch nicht Ihr Ernst sein, Herr Dobrindt!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP – Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ungeheuerlich!)

Das ist eine unerträgliche Verharmlosung des Terrors der RAF und eine Verunglimpfung der Opfer und der Hinterbliebenen. Dafür sollten Sie sich in Grund und Boden schämen.

(Helge Limburg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Richtig!)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: 

Möchten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Dobrindt zulassen?

Dr. Irene Mihalic (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): 

Ich möchte meinen Gedanken gerne zu Ende führen.

(Zurufe von der CDU/CSU: Peinlich!)

Und da wir gerade bei Gedanken sind:

(Dr. Anja Weisgerber (CDU/CSU): Wir sind bei einer Debatte im Deutschen Bundestag!)

Herr Dobrindt, Sie denken ja noch nicht einmal zu Ende, was Sie hier im Kern fordern. Denn was heißt denn das, was Sie in Ihrem Antrag schreiben, für die Traktorendemos von Landwirten, die zweifellos auch eine Sicherheitsgefährdung darstellen? 

(Helge Limburg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Richtig!)

Sollen die jetzt alle in den Knast, wenn sie in der halben Republik den Verkehr lahmlegen? Nein, da sind Sie ganz solidarisch und pflegen Ihre doppelten Standards im Sinne einer So-wie-es-gerade-passt-Partei. 

(Jan Korte (DIE LINKE): Das stimmt!)

Aber dabei legen Sie selber die Axt an den Rechtsstaat, den Sie angeblich schützen wollen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD, der FDP und der LINKEN)

Deswegen sage ich Ihnen ganz klar: Proteste, die Leib und Leben von Menschen gefährden, sind inakzeptabel, und zwar völlig unabhängig vom Zweck. Der Rechtsstaat hat alles Nötige, um effektiv dagegen vorzugehen. Ihre peinlichen Strafverschärfungsforderungen brauchen wir da nicht. 

Wenn Sie was Kluges fordern wollen, dann machen Sie mal mehr Vorschläge für einen verbesserten Klimaschutz oder für eine kluge Verkehrspolitik. Damit könnten Sie der Gesellschaft auch etwas von dem zurückgeben, was Sie die letzten 16 Jahre nicht hinbekommen haben.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP – Zurufe von der CDU/CSU: Oh! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Ein peinlicher Auftritt!)

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