Newsletter Februar 2017
Liebe Leserinnen und Leser,
der Einstieg in das Jahr hätte auch erfreulicher verlaufen können. Nach der Vereidigung von Donald Trump als US-Präsidenten können wir sehen, welcher Wahnsinn regiert, wenn die Empörung der Kommentarleisten an die Macht kommt. Aber wir sollten uns in Europa Überheblichkeit sparen. Auch bei uns könnten die Debatten rationaler und ergebnisorientierter laufen.
Das gilt insbesondere für die Innen- und Sicherheitspolitik, die von Scharfmachern und populistischen Placebos geprägt ist. Wir Grüne stellen dem eine rationale Politik entgegen, die für unseren Rechtsstaat einsteht.
Für mich ist das ein Leitfaden für die politische Praxis. Ich wünsche viel Spaß beim Lesen.
Liebe Grüße
Irene Mihalic
Politische Debatte nach dem Terroranschlag vom Berliner Breitscheidplatz
Der Terroranschlag auf dem Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz mit 12 Toten und vielen weiteren Verletzten hat uns tief getroffen. Es war der bisher schlimmste islamistisch motivierte Anschlag auf deutschem Boden. Selbstverständlich müssen wir als Politiker den Anschlag samt der Einordnung Anis Amris durch die unterschiedlichen Sicherheitsbehörden haarklein aufarbeiten, um daraus die richtigen Konsequenzen zu ziehen. Statt jedoch mit Ernst und Sorgfalt an die Analyse-Arbeit zu gehen, haben gerade Vertreter der CSU die Situation erneut genutzt, um gegen Flüchtlinge zu wettern. Diese präfaktische Politik, also Konsequenzen zu ziehen, bevor man genau weiß, was passiert ist, lehnen wir als Grüne aufs Schärfste ab.
Wir stehen für eine Sicherheitspolitik auf Grundlage von soliden Analysen und die ersten Ergebnisse zeigen, dass es neben den diversen Fehlern bei der Anwendung des Aufenthaltsrechts auch Probleme bei der Einordnung des Falls Amri auf Ebene des Gemeinsamen Terror-Abwehrzentrum (GTAZ) gegeben hat. Vor allem bleibt unklar bleibt die Rolle des Bundesamtes für Verfassungsschutz unklar, das sich laut offiziellen Verlautbarungen bei der Observation Amris seltsam unbeteiligt zeigte. Wir haben auf der Neujahrsklausur der Grünen Bundestagsfraktion in Weimar einen sicherheitspolitischen Beschluss gefasst, der unter anderem eine Klärung der Rolle des Bundesamtes für Verfassungsschutz in der Sicherheitsarchitektur und die Schaffung eines einheitlichen Gefährder-Begriffes in Europa einfordert (Fraktionspapier innere Sicherheit).
Dass auch die Aufklärung der Causa Amri erst am Anfang ist, zeigt die Anfang des Jahres von der Bundesregierung veröffentlichte Chronologie der Bearbeitung des Falles durch die Sicherheitsbehörden. Diese Chronologie ist inzwischen einige Male angepasst worden. Vor allem die Rolle des Verfassungsschutzes scheint deutlich unterbelichtet zu sein. Dieser Eindruck verstärkt sich, wenn man die Beantwortung unserer Kleinen Anfrage zur Causa Amri auswertet. Dort taucht das Bundesamt für Verfassungsschutz plötzlich häufiger im Zeitverlauf auf, als noch in der vorher herausgegeben Chronologie. Das alles wirft neue Fragen auf, denen wir in einer Sondersitzung des Innenausschusses vom 13.2. auf den Grund gehen wollen. Wir werden auch danach nicht locker lassen, damit wir die Sicherheitsbehörden anhand der Analyseergebnisse besser aufstellen können.
Personalsituation der Bundespolizei
Im Rahmen einer Kleinen Anfrage haben wir aktuell die Personalsituation bei der Bundespolizei abgefragt: Infolge des Personalkonzepts und der Festlegung auf Grenzkontrollen sind weiterhin 47 Bundespolizeireviere nicht durchgehend besetz und hohe Überstundenstände zu verzeichnen. Dennoch sollen die Grenzkontrollen auch über Mitte 2017 hinaus fortgesetzt werden. Ein solches Festschreiben allgemeiner Kontrollen als Dauerlösung widerspricht aber nicht nur dem Geist Europas. Anlasslose Maßnahmen sind gerade im Kampf gegen Extremisten nicht effektiv.
Automatische Kennzeichenerfassung
Die Bundesregierung hat mehrere Vorhaben, die irgendwie mit Videotechnik zusammen hängen, zu einem Gesetzentwurf zusammen gepackt (Drucksache 18/10941) und will so unter anderem auch eine automatische Kennzeichenerfassung an der Grenze einführen. Die Kennzeichenfahndung an der Grenze kann aber sicher nicht die Antwort auf die aktuelle Sicherheitslage sein.
Denn bei Anschlägen, die wie in Berlin mit einem gestohlenen Fahrzeug innerhalb von wenigen Stunden begangen werden, fehlt schon der Grenzbezug. Auch kommt die Ausschreibung des Kennzeichens zur Fahndung in der Regel zu spät und nach einem solchen Anschlag fehlt es den Behörden sowieso nicht an Daten, die ausgewertet werden können. Dazu und zu den weiteren Aspekten dieses Gesetzes habe ich im Bundestag geredet.
Kritisch zum Thema Kfz-Kennzeichen-Erfassung auch bei Netzpolitik.org
Einsatz der Bundespolizei in Köln in der Silvesternacht
Der Einsatz der Bundespolizei in Köln in der Silvesternacht hatte uns ja gleich Anfang Januar beschäftigt. Seit meinem Interview vom 02.01.2017 hatten wir das Thema auch im Innenausschuss. Der geforderte Bericht der Bundesregierung hat jedoch viele Fragen offen gelassen, sodass wir in Sachen Aufklärung weiteren Bedarf sehen. Auch fehlte es der Bundesregierung in ihrer Stellungnahme leider weiterhin an der nötigen Differenziertheit.
Reichsbürger
Bereits im Herbst 2016 hatten wir ja den Fall eines Reichsbürgers in Georgengmünd, der einen Polizisten tötete, der mit anderen Polizeibeamten sein Haus nach Waffen durchsuchen wollte. Damals hat die Bundesregierung nach langer Zeit ihre gleichgültige Haltung den Reichsbürgern gegenüber revidiert und das Bundesamt für Verfassungsschutz nach viel zu langem Zögern mit der Beobachtung dieser gefährlichen Bewegung beauftragt.
Nun ist am 25. Januar von einer großen polizeilichen Durchsuchungsaktion gegen eine mutmaßliche rechtsextreme Zelle mit Anschlagsplanungen berichtet worden. Hauptverdächtiger ist ein Reichsbürger. Spätestens jetzt zeigt sich, dass diese Bewegung jahrelang unterschätzt wurde. Wir haben bereits vor der Razzia eine parlamentarische Anfrage zum Thema gestellt und rechnen Ende Februar mit Antwort.