Auszug aus der Niederschrift vom 24.06.2021
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Gäste! Heute beenden wir den Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum bisher schlimmsten islamistischen Anschlag in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Und auch, wenn nach über drei Jahren Arbeit noch viele Fragen offen sind, so konnten wir doch fünf zentrale Punkte herausarbeiten:
Punkt eins. Die Bundessicherheitsbehörden tragen einen großen Teil der Verantwortung. Zu Unrecht hat die Bundesregierung nach dem Anschlag mit dem Finger in so ziemlich alle Richtungen gezeigt, vor allem in die Länder Nordrhein-Westfalen und Berlin, nur nicht auf sich selbst.
Punkt zwei. Der Anschlag hätte verhindert werden können, wenn man im Gemeinsamen Terrorabwehrzentrum die Gefährlichkeit Anis Amris richtig eingeschätzt hätte. Es gab konkrete Hinweise, dass er Anschläge begehen wollte. Doch diese Hinweise wurden nicht richtig analysiert.
Punkt drei. Amri war kein Einzeltäter und auch kein Kleinkrimineller. Er war Teil eines dschihadistischen Netzwerks mit direktem Draht zum IS, und er hat sich sogar noch am Anschlagstag über mehrere Stunden hinweg mit anderen Gefährdern getroffen; auch das wurde weitgehend ausgeblendet. Dass also mögliche Mitwisser, Unterstützer und vielleicht sogar Mittäter immer noch auf freiem Fuß sein könnten, ist eine relevante Gefahr, meine Damen und Herren.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und der LINKEN)
Punkt vier. Anis Amri war kein reiner Polizeifall. Der damalige Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, hat gebetsmühlenartig immer wieder das Gegenteil behauptet. Heute ahnen wir, warum: Kurz vor dem Ende dieses Untersuchungsausschusses wurden im Bundesamt für Verfassungsschutz noch Akten gefunden, die uns schon vor drei Jahren hätten geliefert werden müssen. Jetzt wissen wir: Das BfV war schon 2015 an Anis Amri und seinem Umfeld dran, sogar bis kurz vor dem Anschlag; aber es hat nicht alles getan, um zu verhindern, dass Amri vom Radar verschwindet.
Punkt fünf. Das Bundeskriminalamt hat nach dem Anschlag nur das ermittelt, was nötig war, um die These vom Einzeltäter zu bestätigen. DNA-Spuren, Bewegungsdaten, Kontakte zur Organisierten Kriminalität oder zu anderen Gefährdern, von wem er das viele Geld, die Drogen und auch die Waffe bekam – bei der Frage, ob Amri noch Komplizen hatte, wurde eben nicht jeder Stein umgedreht, ganz nach dem Motto: Der Täter ist tot, der Fall ist gelöst. – Nein, liebe Kolleginnen und Kollegen, die vielen ungeklärten Fragen sind weiterhin eine offene Wunde, die es nach und nach zu heilen gilt.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und der LINKEN)
Die gute Nachricht ist, dass wir das auch können, wenn wir die notwendigen Konsequenzen entschlossen ziehen, wie wir sie in unserem Abschlussbericht aufgezeigt haben. Die Lehren aus diesem schrecklichen Anschlag zu ziehen, das schulden wir nicht zuletzt den Opfern und Hinterbliebenen, denen unser ganzes Mitgefühl gilt.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und der LINKEN)
Zum Schluss möchte ich mich bei den anderen Mitgliedern des Untersuchungsausschusses, insbesondere der demokratischen Opposition, bedanken und bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, ohne die wir diese wichtige Aufklärungsarbeit nicht hätten leisten können.
Ganz herzlichen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der FDP und der LINKEN)