Erste Parlamentarische Geschäftsführerin | Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Halbzeitbilanz zum Untersuchungsausschuss

Benjamin Strasser (FDP), Irene Mihalic (Bündnis 90/Die Grünen) und Martina Renner (Linke) sind Obleute des Untersuchungsausschusses und stellten die Zwischenbilanz in der Bundespressekonferenz vor. Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion/Maak

Pressekonferenz zum Untersuchungsausschuss zum Anschlag auf dem Breitscheidplatz

  • Die Aufklärung im Untersuchungsausschuss Breitscheidplatz muss vorangetrieben werden. Die Rolle der Bundessicherheitsbehörden (GBA, BKA, BND und BfV) sowie des Bundesinnenministeriums (BMI) stehen nun neu im Fokus.
  • Aktuelle Zeugenaussagen von Beamten des Landeskriminalamts NRW, des Bundeskriminalamtes, der Generalbundesanwaltschaft sowie neue Veröffentlichungen in den Medien, die weitere berechtigte Zweifel an der tatsächlichen Rolle und Befassung der Bundessicherheitsbehörden mit der Causa Amri zu Tage förderten, müssen dringend überprüft werden.
  • Wir wollen, dass die dabei beteiligten Mitarbeiter der jeweiligen Behörden schnellstmöglich als Zeugen geladen werden. Gerade jetzt, wo sich der Tag des Anschlages zum dritten Mal jährt, ist es an der Zeit, gegenüber den Opfern und Hinterbliebenen „reinen Tisch“ zu machen.

Laut Aussage von M., Beamter im Landeskriminalamt (LKA) NRW, habe ein Mitarbeiter des BKA ihm in einem Vieraugengespräch circa zehn Monate vor dem Anschlag gesagt, dass man die Erkenntnisse einer Quelle des LKA, die über Anis Amris Anschlagsplanungen berichtet hatte, nicht weiter berücksichtigen wolle. Diese Weichenstellung sei von „ganz oben“ verordnet worden.

Der entsprechende BKA-Mitarbeiter bestritt diesen Vorwurf zunächst mit einer dienstlichen Erklärung. Vier Wochen später im Zeugenstand gestand er jedoch ein, dass er ein Vieraugengespräch nicht ausschließen kann. Daraufhin kamt es im Untersuchungsausschuss zu einer Gegenüberstellung.

Drei Zeugen wurden gleichzeitig befragt. Dort wiederholte M. seine Aussagen, unterstützt von den Einschätzungen des Oberstaatsanwaltes beim GBA Killmer. Der BKA Beamte K. relativierte seine Dienstliche Erklärung weiter und verstrickte sich dabei in Widersprüche.

Die wichtigsten Fragen und Thesen zur weiteren Arbeit im Untersuchungsausschuss:

Warum schätzte das BKA die Gefährlichkeit Amris falsch ein?

Eines steht heute fest: Das BKA hat die Gefährlichkeit Amris im Februar 2016 falsch eingeschätzt und damit eine fatale Weichenstellung vorgenommen. Die Gründe dafür liegen noch im Dunkeln und müssen nun aufgeklärt werden.

Wann stand Amri als Tatverdächtiger fest?

Offiziell soll Amri erst am späten Nachmittag des 20.12.2016 in den Fokus der Ermittlungen gerückt sein, als im Tat-Lkw seine Identitätspapiere gefunden wurden. Zahlreiche Indizien weisen darauf hin, dass Sicherheitsbehörden möglicherweise schon sehr viel früher von Anis Amri als möglichen Attentäter ausgegangen waren. So twitterte Pegida-Chef Lutz Bachmann schon kurz nach dem Anschlag über einen tunesischen Moslem als Tatverdächtigen und berief sich auf „hohe Berliner Polizeikreise“. Außerdem gab es nicht dokumentierte polizeiliche Maßnahmen in der Anschlagsnacht an und in der Fussilet Moschee, die Amri oft besucht hatte.

Handelte Amri allein bei seiner Tat?

Amri galt zunächst als „Einzeltäter“. Diese Theorie ist angesichts seiner vielfältigen Kontakte zur islamistischen Szene in Deutschland (unter anderem in der Berliner Fussilet Moschee und zu dem sogenannten Statthalter des IS in Deutschland, „Abu Walaa“), seinen zusammen mit Magomed Ali C. und Clement B. gehegten Anschlagsplänen auf das Berliner Gesundbrunnencenter und weiteren – bis kurz vor dem Anschlag – (Mouadh Tounsi @moumou1) weltweit unterhaltenen Kontakten zu Islamisten und Kämpfern des IS faktisch widerlegt.

Rolle der Nachrichtendienste

Heute ist klar, dass auch die Nachrichtendienste viel dichter am späteren Attentäter dran waren, als sie bisher einräumen wollen. Die Behauptung, es habe sich um einen „reinen Polizeifall“ gehandelt, ist längst widerlegt. Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) hatte mehrere Quellen in Amris Umfeld.

Zudem wurde durch Presseveröffentlichungen bekannt, dass zumindest ausländischen Diensten schon vor dem Anschlag Informationen und möglicherweise auch Videos vorlagen, die auf die konkreten Attentatspläne Amris hindeuteten. Ob sie vor dem Anschlag beachtet bzw. ausgewertet wurden, weiß man bislang nicht.

All diesen Fragen wird der Untersuchungsausschuss in Kürze nachgehen.

Bild: Benjamin Strasser (FDP), Irene Mihalic (Bündnis 90/Die Grünen) und Martina Renner (Linke) sind Obleute des Untersuchungsausschusses und stellten die Zwischenbilanz in der Bundespressekonferenz vor.
Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion/Maak
Quelle: BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Bundestagsfraktion