Erste Parlamentarische Geschäftsführerin | Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Grüne Frontfrauen

Aus der Ausgabe 1/2014 des Spiegel

Die Grünen haben traditionell ein schwieriges Verhältnis zu Polizei und Militär. Junge Frauen in der Fraktion sollen dieses Problem nun beheben.

Oliver Malchow ist nicht unbedingt das, was man einen Fan der Grü- nen nennt. Der Chef der Polizei- gewerkschaft GdP hat oft genug gehört, wie die Prominenten der Partei hart mit seinen Leuten ins Gericht gingen, das hat die Sympathie nicht gefördert. Als er Mitte Dezember die Grünen im Bundestag besucht, sagt er: „Wissen Sie, wie sauer die Kollegen sind, ständig von Leuten kritisiert zu werden, die nie an vorderster Front waren?“

Plötzlich geht Irene Mihalic dazwischen. Als ehemalige Polizistin sei sie sehr wohl an der Front gewesen, sagt die Bundestagsabgeordnete. Bei Polizeieinsätzen habe sie schon Wohnungen von Muslimen durchsucht. Sie wisse, wie die raue Realität in den deutschen Großstäd- ten aussehe. Das Gespräch mit dem Mann von der Polizeigewerkschaft entspannt sich merklich. Bisher waren Polizisten für die Grünen meist der Feind. Sie rissen die Aktivisten der Partei weg von den Eisenbahngleisen vor Gorleben. Lange war es in der Partei grundsätzlich umstritten, ob man das Gewaltmonopol des Staates akzeptiert.

Nun sagt Parteichef Cem Özdemir: „Im Verhältnis zur Polizei müssen die Grünen eine Schwachstelle beheben.“ Er unterstützt die Gründung des bundesweiten Netzwerks „Polizeigrün“, in dem sich zurzeit ein paar Dutzend Polizisten mit grünem Parteibuch zusammenschließen. Grüne Polizisten wie Mihalic könnten „als Türöffner in beide Richtungen agieren“, hofft Özdemir.

Mihalic hat für grüne Verhältnisse eine untypische Karriere gemacht. Nach der Realschule machte sie eine Ausbildung bei der Polizei und durchlief dort alle Stationen, von der Streife bis zum Drogendezernat. Heute ist die 37-jährige Polizistin Sprecherin der Grünen für Innere Sicherheit in der Bundestagsfraktion und will das „Verhältnis der Grünen zur Polizei ändern“. Mihalic ist eine von mehreren jungen Frauen, die den Grünen ein neues Image geben sollen. In der Partei werden zwar schon lange alle Posten streng nach Quote vergeben. Aber bisher war es am Ende doch so, dass harte Themen wie Innere Sicherheit oder Verteidigung bei den Männern landeten.

Das soll nun anders werden. Neben Mihalic ist auch die 28-jährige Agnes Brugger in der Fraktionsführung vertreten, sie kümmert sich dort um die Verteidigungspolitik. Die 29-jährige Luise Amtsberg wiederum ist zuständig für den Schutz der europäischen Grenzen und die Flüchtlingspolitik. Gefördert wurden die Frauen vor allem von der neuen Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt. Die Grünen brauchten in der Sicherheitspolitik neue Konzepte, sagt sie, auch wenn dies „in manchen Fäl- len mit früheren Positionen kollidiert“.

Göring-Eckardt ist kürzlich mit Luise Amtsberg nach Italien gereist, es ging um die afrikanischen Flüchtlinge, die sich zu Tausenden auf den Weg nach Europa machen. In den vergangenen Jahren war die Flüchtlingspolitik das Feld von Claudia Roth, die ehemalige Parteichefin wählte dabei eher einen emotionalen Ansatz: Im Angesicht des Leids kullerten bei ihr schon mal die Tränen. Amtsberg will nicht herzlos sein. Aber sie weiß, dass inzwischen auch viele Wähler der Grünen Angst davor haben, dass Europa den Flüchtlingsströmen aus Afrika nicht mehr Herr wird. Sie plädiert für eine „realistischere Flüchtlingspolitik“, auch wenn das zu Streit mit Flüchtlingsaktivisten führt, die am liebsten die Tore Europas für Migranten ganz öffnen würden.

Eine neue Tonlage schlägt auch Agnes Brugger an, die neue Verteidigungspolitikerin der Fraktion. Schon früh hat sie eine Diskussion über ein Konzept für eine grüne Bundeswehr angeregt.

Jetzt muss sie für die Grünen möglichst konkrete Antworten geben. Brugger will eine Bundeswehr, die weniger Panzer für die Landesverteidigung hat, aber mehr Soldaten für Friedensmissionen unter Uno-Führung. Den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr lehnte Brugger bisher ab. Aber sie könnte sich vorstellen, dass die Truppe häufiger etwa in Afrika ein- gesetzt wird, um im Auftrag der Uno Gräueltaten an Zivilisten zu stoppen.

Dass die Grünen Frauen nach vorn stellen, hat auch ganz eigennützige Gründe. Traditionell holte die Partei bei jungen weiblichen Wählern die meisten Stimmen, doch bei der letzten Bundestagswahl hat sie ausgerechnet bei den 18- bis 24-Jährigen die schwersten Verluste erlitten.

Allerdings schaffen es die grünen Frauen nicht überall nach vorn. Franziska Brantner wechselte mit der Bundestags- wahl vom Europaparlament nach Berlin. In Straßburg war die 34-Jährige für Außenpolitik zuständig, dieses Thema hätte sie gern weiter betreut.

Doch im Auswärtigen Ausschuss in Berlin tummeln sich traditionell die Alphamännchen außer Dienst, auch Jürgen Trittin zieht es dorthin. Für Brantner ist kein Platz. Sie muss sich um die Themen Frauen und Familie kümmern.

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