Aus dem Protokoll vom 9.10.2014:
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Natürlich ist die Übernahme des Tarifabschlusses zu begrüßen. Das haben wir alle in der ersten Lesung einhellig getan. Es ist völlig richtig, dass die Beamtinnen und Beamten im öffentlichen Dienst eine wertvolle und anspruchsvolle Arbeit für die Allgemeinheit leisten, die selbstverständlich unser aller Wertschätzung verdient.
Aber es stellt sich natürlich die Frage: Reicht das denn eigentlich aus? Ich meine, dass die Wertschätzung anspruchsvoller Arbeit nicht nur eine finanzielle Frage ist. Wenn Sie von der Koalition sich jetzt dafür feiern, dass die Bezüge um 2,8 Prozent bzw. in einem weiteren Schritt um 2,2 Prozent steigen, dann zeigt das eigentlich nur, dass Sie keine Ideen haben, mit den personellen Herausforderungen im öffentlichen Dienst umzugehen.
(Oswin Veith (CDU/CSU): Das ist doch Quatsch!)
Herr Schmidt, mit mehr Geld allein ist es eben nicht getan. Sie haben vorhin angesprochen, dass der Staat für viele Menschen vom Prinzip her ein attraktiver Arbeitgeber ist, vor allem ein attraktiver Arbeitgeber für gutes Personal. Aber ich bin mir sicher, dass das in der Form, wie Sie das geschildert haben, nicht mehr zutrifft. Denn wir müssen schlicht anerkennen, dass sich der Staat in einem ziemlichen Konkurrenzkampf mit der Wirtschaft um die besten Köpfe befindet,
(Oswin Veith (CDU/CSU): Das wissen wir!)
und dass der Staat diesen Konkurrenzkampf häufig nicht für sich entscheiden kann, das bleibt nun einmal nicht ohne Folgen.
Lassen Sie mich als Beispiel die Missstände bei der Bundeswehr nennen, über die wir gestern in der Aktuellen Stunde sehr lange diskutiert haben. Dort haben wir auch erfahren, dass die betreffenden Projekte einen Umfang von 56 Milliarden Euro haben. Der Expertenbericht des Bundesverteidigungsministeriums macht deutlich, dass die erheblichen Verzögerungen dieser Projekte um viele Jahre mit einer deutlichen Kostensteigerung verbunden sind. Im Expertenbericht wird auch ein Grund dafür genannt, nämlich dass die Juristinnen und Juristen des Ministeriums, die diese Verträge aushandeln, teilweise nicht mit den hochdotierten Spitzenkolleginnen und kollegen der Industrie mithalten können. Mit anderen Worten: Sie laufen Gefahr, bei solchen entscheidenden Vertragsverhandlungen schlicht über den Tisch gezogen zu werden.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich will Ihnen ein weiteres Beispiel aus diesem Bereich nennen: das milliardenschwere Projekt des Schützenpanzers Puma. Die Mitarbeiter im Ministerium sollen da einen einfachen Mustervertrag aus dem Intranet verwendet haben. Es kann doch nicht sein, dass ein Vertrag, der vielleicht für die Beschaffung von Büromaterial oder von anderen Dingen verwendet wird, nun für die Entwicklung von Panzern verwendet wird, wofür Milliarden an Steuergeldern ausgegeben werden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich selbst bin keine Juristin, aber dass es bei solchen Verträgen ein paar wesentliche Unterschiede gibt, das leuchtet selbst mir ein.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Matthias Schmidt (Berlin) (SPD): Aber das liegt doch nicht am Gehalt!)
Ministerin von der Leyen selbst hat nun vor, sich diesem Missstand zu widmen und Spitzenpersonal offensiv anzuwerben und besser zu bezahlen. Wenn das tatsächlich gelingt, kann ich der Ministerin nur gratulieren, denn ich muss sagen: Lieber Geld in kluge Köpfe stecken als in überteuerte Projekte.
(Beifall des Abg. Özcan Mutlu (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
Herr Veit, Sie haben die Koppelung der beamtenrechtlichen Besoldung an die wirtschaftliche Entwicklung angesprochen, also das Alimentationsprinzip. Dabei haben Sie herausgestellt, dass das der Erfüllung der Fürsorgepflicht gegenüber dem Beschäftigten dient, letztlich aber auch der Allgemeinheit. Dabei geht es aber auch um die Aufrechterhaltung einer fachlich leistungsfähigen Verwaltung. Bestens ausgebildete und damit hochqualifizierte Mitarbeiter dürfen natürlich auch eine angemessene Bezahlung erwarten. Das ist Ausdruck des Respekts und der Wertschätzung. Gute Bezahlung ist ja auch im Leistungsprinzip angelegt.
Es gibt aber ein Problem: dass der Staat auch bei den Gehältern nicht mit der Privatwirtschaft konkurrieren kann. Mit ein wenig Innovation und Fantasie könnte man die Arbeitsbedingungen im öffentlichen Dienst aber deutlich attraktiver und nachhaltiger gestalten. Ich nenne als Stichwort das ist vorhin schon angesprochen worden die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Damit meine ich jetzt nicht nur die Betreuung von Kindern, sondern auch die von pflegebedürftigen Angehöriger. Wir brauchen auch eine echte Willkommenskultur gegenüber Migrantinnen und Migranten. Reformvorschläge und Konzepte, wie der öffentliche Dienst tatsächlich attraktiver gestaltet werden kann, vermisse ich aufseiten der Bundesregierung. Im Gegenteil, es steht zu befürchten, dass Sie die Besten sogar noch ziehen lassen, denn viele der Absolventinnen und Absolventen, die im öffentlichen Dienst eine Ausbildung gemacht haben, wechseln in die freie Wirtschaft.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
All diese Dinge, an denen es an Attraktivität mangelt, sind in der Bundesregierung hinreichend bekannt. Es werden dann schnell Programme und Eckpunktepapiere erstellt. Bei der Umsetzung in die Praxis scheint es aber zu hapern. Deswegen mein ganz dringender Appell: Wir müssen im öffentlichen Dienst vom Programm zum Prinzip kommen. Ich kann nur hoffen, dass die Verschwendung und die Skandale im Verteidigungsministerium ein warnendes Beispiel dafür sind, dass das Sparen am Personal uns alle am Ende teuer zu stehen kommt.
Vielen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)