Erste Parlamentarische Geschäftsführerin | Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Rede zur Zuständigkeit des Bundes bei der Gefahrenabwehr

Rede im Bundestag

Auszug aus der Niederschrift vom 1.3.2018 folgt

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was die AfD hier im Bundestag vorlegt, lässt sich auf einen einfachen Kern reduzieren: Migrantinnen und Migranten, vor allem die Geflüchteten der letzten Jahre, sind nach Ansicht der AfD Menschen zweiter Klasse und sollen auch so behandelt werden.

(Enrico Komning (AfD): Das ist Unsinn!)

Damit befeuern Sie nicht nur immer wieder den Hass und die Vorurteile in bestimmten Teilen der Bevölkerung, nein, Sie gehen noch einen Schritt weiter. Sie wollen Rassismus institutionalisieren und zum politischen Handlungsprinzip erheben. Dem werden wir uns jederzeit entschieden entgegenstellen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Rassismus ist keine Frage des Stils oder des schlechten Geschmacks, sondern ist schlicht nicht vereinbar mit dem Grundgesetz und der Garantie der Menschenwürde. Auch die Rechtsstaatlichkeit ist in unserem Grundgesetz fest verankert. Daran orientiert müssen wir natürlich auch über den richtigen Umgang mit Gefährdern diskutieren. Aber was Sie hier heute beantragen, ist nicht mehr Rechtsstaat, sondern Guantánamo in Deutschland, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Reusch, unbegrenzte Präventivhaft, und zwar ohne konkreten Verdacht, ohne Anklage und ohne Gerichtsverfahren, kennen wir zum Beispiel aus Regimen, denen Sie so nahestehen. Aber in Deutschland kann es das nicht geben und wird es mit uns nicht geben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN und der Abg. Dr. Eva Högl (SPD))

Sie behaupten in einer Tour, dass Sie dem Rechtsstaat zur Geltung verhelfen wollen, dabei sägen Sie permanent an dessen Eckpfeilern. Nach Ihrer Vorstellung soll sich der Bund um die komplette Gefahrenabwehr kümmern; Grundgesetz hin oder her – das interessiert Sie überhaupt nicht.

(Dr. Bernd Baumann (AfD): Dutzende Tote!)

Nein, liebe Kolleginnen und Kollegen, der Föderalismus in Deutschland hat sich grundsätzlich bewährt. Was wir aber brauchen, sind klare Zuständigkeiten und eine bessere Organisation der Zusammenarbeit in Bund und Ländern, aber auch horizontal zwischen den Sicherheitsbehörden. Genau diese Frage bewegt uns auch im Untersuchungsausschuss zum Anschlag auf dem Breitscheidplatz, den wir erst vor wenigen Minuten eingesetzt haben. Hier werden wir uns im Detail mit den Sicherheitsbehörden und ihrer Zusammenarbeit im Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum befassen. Hier werden wir auch in akribischer Detailarbeit die notwendigen Reformbedarfe herausarbeiten. Wir müssen uns damit befassen, wie Gefährder besser überwacht werden können, ohne dass man den Punkt verpasst, an dem der Zugriff erfolgen muss, und zwar alle Gefährder in Deutschland und nicht nur die Hälfte, um die Sie von der AfD sich kümmern wollen, nämlich die ohne deutschen Pass.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dazu gehört auch die Frage nach kriminalpolizeilichen Standards beim Personal und bei der Ausstattung, damit in jedem Bundesland und auch auf Bundesebene das gleiche Niveau herrscht und sich die Behörden bei Bedarf gegenseitig unterstützen können. Außerdem müssen wir genau festlegen, wer bei bund- und länderübergreifenden Sachverhalten die Verantwortung trägt, also letztlich den Hut aufhat. Man muss auch der Frage nachgehen, ob wir tatsächlich 17 Inlandsnachrichtendienste brauchen oder ob wir auch hier organisatorische Veränderungen vornehmen müssen.

Vizepräsident Thomas Oppermann:

Frau Mihalic, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Nolte?

Irene Mihalic (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Nein.

All das – das sage ich in aller Deutlichkeit – sind Operationen am offenen Herzen der Sicherheitsarchitektur und an unseren verfassungsmäßigen Prinzipien. Das sollte man nicht ohne genaue Diagnose machen. Wenn wir das so machen würden, wie die AfD hier vorschlägt, würde es am Ende heißen: Operation gelungen, Patient tot. Aber wir hätten damit leider kein einziges Problem gelöst.

Herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Reden im Bundestag
Pressespiegel
Pressemitteilungen