Erste Parlamentarische Geschäftsführerin | Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Rede zur Sicherheit von Vollstreckungsbeamten und Rettungskräften

Screenshot-vollstreckungsbeamten

Aus dem Protokoll vom 17.2.2017

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Um das in dieser Debatte gleich einmal vorweg zu sagen: Es ist selbstverständlich nicht hinnehmbar und in keiner Weise tolerierbar, wenn Polizeibeamte als Repräsentanten des Rechtsstaates, Rettungsdienstmitarbeiter, Feuerwehrleute oder andere Einsatzkräfte Opfer von Angriffen werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN)

Deshalb muss der Rechtsstaat selbstverständlich auch wehrhaft sein.

(Dr. Jan-Marco Luczak (CDU/CSU): Jetzt kommt das Aber!)

Aber: Er ist es heute schon.

Herr Kollege Harbarth, Sie sagen, dass der neue Straftatbestand zum Schutz dieser Einsatzkräfte geschaffen werden soll. Aber dieser Straftatbestand, den Sie hier heute schaffen wollen, ist zur angemessenen Verfolgung solcher Angriffe in der Praxis schlicht überflüssig.

Herr Maas, Sie sagten, dass bisher nur die Vollstreckungshandlung vom Gesetz geschützt ist. Das ist schlicht nicht wahr. Auch alle anderen Angriffe, die sich gegen Polizeivollzugsbeamte oder gegen Einsatzkräfte richten, sind schon heute von den bestehenden Straftatbeständen erfasst. Der Kollege Tempel hat Ihnen das hier haarklein aufgeführt. Ich kann nicht nachvollziehen, dass Sie das nicht begreifen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Alle ins Gefängnis!)

Das gilt für versuchte Taten, bei denen es zu keiner Körperverletzungshandlung kommt, genauso wie natürlich für die besonders schweren Fälle. Und, Herr Kollege Harbarth, es gibt keine Hinweise, dass die bestehenden Strafrahmen in der Praxis nicht ausreichen würden.

Deswegen ist Ihr Antrag – ich muss es leider so sagen – nicht mehr als eine nette Geste in Richtung der Polizeigewerkschaft oder, wie Sie es nennen, ein Zeichen. Nett gemeint, und es kostet noch dazu keinen Cent: Ja, so stellen Sie sich den Schutz von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten vor. Für den tatsächlichen Schutz bringt das alles aber eben nichts.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Also kann alles so bleiben, wie es ist!)

Es ist ja nicht so, dass wir mit Strafverschärfungen nicht auch unsere Erfahrungen gemacht hätten. Der Tatbestand „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte“ ist erst im Jahre 2011 verschärft worden. Die Zahl der Fälle von Widerständen und Körperverletzungsdelikten zulasten von Polizeibeamten ist dadurch aber nicht etwa geringer geworden, sondern sie ist sogar gestiegen.

(Frank Tempel (DIE LINKE): Hören Sie zu, Herr Harbarth!)

Für Kriminologen ist das alles keine Überraschung. Durch ein Drehen am Strafrahmen lässt sich ein solcher Angriff eben nicht verhindern.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Was ist denn Ihr Vorschlag?)

In den typischen Situationen, in denen solche Angriffe stattfinden und bei denen die Täter in vier von fünf Fällen noch dazu unter erheblichem Alkoholeinfluss stehen, bewirkt eine höhere Strafe auch kein Umdenken. Umdenken sollten daher lieber diejenigen, die glauben, dass man über das Strafrecht mehr Respekt vor Einsatzkräften verordnen könnte.

Den zu Recht geforderten Respekt und mehr Wertschätzung für den schwierigen Polizeiberuf können Sie doch viel besser zum Ausdruck bringen, nämlich durch eine gute personelle und materielle Ausstattung der Polizei, eine gute Ausbildung und regelmäßiges Training, damit die Einsätze fachlich und technisch optimal vorbereitet und schwierige Alltagssituationen ebenso gut bewältigt werden können –

(Dr. Jan-Marco Luczak (CDU/CSU): Reden Sie doch mal mit den Kollegen in Berlin darüber!)

also anders, als es die CDU hier in Berlin gemacht hat: Da wollte nämlich der Innensenator Henkel die Polizeibeamten mit ausrangierten Waffen aus Schleswig-Holstein ausrüsten.

(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ist noch nicht so lange her!)

So drückt man Wertschätzung ganz sicher nicht aus.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Das ist ja jetzt unter Rot-Rot-Grün deutlich besser geworden! Das merken wir ja! Deswegen wird ja demonstriert!)

In diesem Bereich haben Sie schon viel angekündigt. Den Stellenaufwuchs bei der Bundespolizei und beim Bundeskriminalamt haben wir auch unterstützt. Jetzt müssen Sie es auch umsetzen, damit die Personalnot und die Schwächen bei der Ausstattung und beim Digitalfunk endlich beseitigt werden.

Diese Maßnahmen sind auch deshalb dringend nötig, weil viele Polizeibeamte in Befragungen angegeben haben, dass sie sich auf Übergriffe hinsichtlich der psychologischen Beurteilung, der körperlichen Abwehr und der Konflikthandhabung nicht ausreichend vorbereitet sehen. Hier gibt es also genug, was Sie verbessern können. Eine strafrechtliche Sonderbehandlung hilft da ganz sicher nicht. Sie hilft vor allem nicht den Beamtinnen und Beamten, die heute Opfer von Straftaten werden.

Die Verfolgung solcher Offizialdelikte ist sowieso eine Selbstverständlichkeit, und auch die Verurteilungsquote von 75 Prozent bei Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte kann sich sehen lassen. Durch mehr Personal und eine bessere Ausstattung würde man sicherlich auch diese Quote noch weiter verbessern können, und viele Polizeibeamte, die Opfer von Angriffen werden, würden dann mehr Gerechtigkeit erfahren.

Der Respekt für die Arbeit von Polizistinnen und Polizisten, die jeden Tag ihren Dienst für unsere Gesellschaft leisten, kommt jedenfalls nicht durch einen neuen Straftatbestand, sondern von den Menschen selbst.

(Dr. Jan-Marco Luczak (CDU/CSU): Nicht von den Grünen! – Sebastian Steineke (CDU/CSU): Mit Sicherheit nicht von den Grünen!)

Herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)