Aus der Niederschrift vom 07.05.2021
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Seit über einem Jahr beobachten wir mit großer Sorge die Entwicklungen bei den „Querdenken“-Protesten. Seit über einem Jahr warnen wir vor den Vernetzungen ins rechtsextreme Spektrum, vor den Allianzen mit bekannten Reichsbürgen und Rechtsextremen, vor den völkischen Rechten und Holocaustrelativierern, die jede Woche in unterschiedlichen Städten angeblich für Friede, Freiheit und Demokratie eintreten, aber eigentlich das genaue Gegenteil im Sinn haben.
Freie Medien als „Systempresse“ oder „Lügenpresse“ zu diffamieren, ist nicht neu; das kennen wir schon von Pegida. Und schon viel zu lange haben wir in diesem Parlament eine Fraktion, die ein fragwürdiges Bild von Pressearbeit hat, was sie auch hier gerade in dieser Debatte in zwei Reden sehr eindrücklich unter Beweis gestellt hat. Bei der AfD wird der öffentlich-rechtliche Rundfunk gerne als „Staatsfunk“ bezeichnet, und es wird dort gerne von „gekauften Journalisten“ geredet. Auch ehemalige Verfassungsschutzpräsidenten befeuern bedauerlicherweise diese Kampagne.
(Zuruf von der AfD: Komisch, ne? – Thomas Ehrhorn (AfD): Das nennt man freie Rede!)
Und selbst in der Union ist man nicht frei davon, dass Abgeordnete ihrer Fraktion hier an diesem Redepult davon sprechen, dass mit Blick auf das gesellschaftliche Klima angeblich ein Problem mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk besteht. Solche Aussagen haben Folgen und können das Vertrauen in unabhängige Medien nachhaltig schwächen, und das können wir als Demokratinnen und Demokraten nicht akzeptieren, meine Damen und Herren.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Ulli Nissen (SPD) – Zuruf der Abg. Beatrix von Storch (AfD))
Die unabhängige Presse ist seit jeher der Feind rechtsextremer und demokratiefeindlicher Bewegungen. Angriffe auf die Pressefreiheit haben mit dem Aufkommen von „Querdenken“ eine neue Qualität bekommen. Und deswegen ist es wichtig, dass wir hier und heute dieses Thema auf die Tagesordnung heben, meine Damen und Herren.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Journalistinnen und Journalisten werden eingeschüchtert und bedroht, Kamera-Equipment wird zerstört, und sie werden daran gehindert, ihre Arbeit geschützt auszuüben. Die Angriffe hören aber nicht bei den Demonstrationen vor Ort auf: Reporterinnen und Reporter, die über „Querdenken“ oder Verschwörungstheorien berichten, werden auch außerhalb von Demonstrationen im Netz und sogar privat bedroht, angegriffen und mit Hassnachrichten geflutet. All das hat dazu geführt, dass Deutschland auf der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen auf Platz 13 abgerutscht ist. Die Lage der Pressefreiheit in Deutschland ist damit nicht mehr „gut“, sondern nur noch „zufriedenstellend“. Aber das kann uns doch nicht zufriedenstellen, meine Damen und Herren.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Auch die Kritik von Journalistinnen und Journalisten am teilweise mangelnden Schutz bei Demonstrationen muss dringend ernst genommen werden. Polizeiliche Einsätze, bei denen Medienschaffende nicht ausreichend geschützt werden konnten, müssen evaluiert werden, und Einsatzkonzepte müssen auch dementsprechend angepasst werden, damit die Presse gefahrlos ihrem grundrechtlich geschützten Auftrag nachkommen kann.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Die Pressefreiheit ist ein hohes Gut, das eigentlich selbstverständlich gegeben sein sollte, aber leider jeden Tag aufs Neue verteidigt werden muss. Deswegen ist es unsere Pflicht, zu gewährleisten, dass Medienschaffende ihre Arbeit ungehindert wahrnehmen können.
Ganz herzlichen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)