Erste Parlamentarische Geschäftsführerin | Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Rede zum Kriminalitätsstatistikgesetz 2020

Aus der Niederschrift vom 05.11.2020

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man Ihnen, Herr Müller und Frau Mittag, so zuhört, dann kann man sich eigentlich nur noch verwundert die Augen reiben, insbesondere wenn man die Debatte um diesen Periodischen Sicherheitsbericht in der Vergangenheit verfolgt hat.

Wir haben unseren Gesetzentwurf vorgelegt und darin gesagt: Wir brauchen alle zwei Jahre eine verlässliche Berichtslegung über die subjektive und objektive Sicherheitslage in Deutschland. – Daraufhin kam von Ihnen, wie ich im Nachhinein finde, der durchaus berechtigte Vorwurf: Zwei Jahre, das ist alles viel zu kurz; das kann man niemals seriös innerhalb von solchen Intervallen machen. – Wir haben also gesagt: „Prima, wir greifen Ihre Anregung auf, machen das alle vier Jahre“ und einen Änderungsantrag geschrieben. Jetzt kommt Frau Mittag hierher ins Plenum, stellt sich hier vorne hin und sagt: Nein, nein, alle zwei Jahre war doch eine ganz gute Idee; das wollen wir so umsetzen. – Also, ich kann mich da wirklich nur noch wundern, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dabei haben Sie selbst gesagt, dass wir uns ja in dem Ziel alle einig sind: dass es eine regelmäßige Berichtslegung in diesem so wichtigen Themenfeld der Politik braucht, damit man eben verlässliche und wirklich wissenschaftlich fundierte Sicherheitskonzepte erarbeiten kann. Sinngemäß steht das ja auch so im gemeinsamen Vorwort von Brigitte Zypries und Dr. Wolfgang Schäuble zum Zweiten Periodischen Sicherheitsbericht, der vor 14 Jahren letztmalig vorgelegt worden ist.

Sie wissen auch, dass es seinerzeit nicht viel gebracht hat, sich das mal so vorzunehmen; denn seitdem ist eben nichts mehr passiert. Es hat keinen weiteren Periodischen Sicherheitsbericht gegeben. Und wenn Sie jetzt ankündigen: „Alle zwei Jahre machen wir das jetzt“, dann frage ich mich: Wer oder was kann eigentlich die nächste Bundesregierung dazu verpflichten, wenn wir dazu kein Gesetz machen?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Deswegen ist Ihr Einwand, Herr Müller und auch Frau Mittag, dass es das von uns vorgeschlagene Gesetz gar nicht bräuchte, nicht richtig. Es wäre wesentlich überzeugender, wenn Sie auf eine kontinuierliche Berichtslegung in diesem Bereich wenigstens alle vier Jahre verweisen könnten; aber das können Sie nun mal nicht. Ich hoffe nicht, dass, wenn niemand die Bundesregierung dazu verpflichtet, noch mal 14 Jahre vergehen, bis der nächste Periodische Sicherheitsbericht dann im Jahre 2035 vorgelegt wird; das reicht bei Weitem nicht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP)

Unser Gesetzentwurf beschränkt sich ja auch gar nicht darauf, einen regelmäßigen Bericht zu fordern, sondern er bildet auch die Grundlage dafür, dass nach dem Vorbild des Sachverständigenrats der sogenannten Wirtschaftsweisen ein entsprechendes Gremium aus fünf unabhängigen Expertinnen und Experten gebildet werden kann, das über besondere wissenschaftliche Sachkunde im Bereich der Kriminalität und Sicherheit verfügt. Auch im Fall der fünf Wirtschaftsweisen gibt es ein solches Gesetz. Deswegen verstehe ich die Kritik an unserem Gesetzentwurf auch nicht.

Bei der Anhörung im Innenausschuss – Sie haben diese eben angesprochen, Herr Müller – war es mitnichten so, dass die meisten Sachverständigen den Sinn darin nicht gesehen haben. Im Gegenteil – lesen Sie ruhig noch mal das Protokoll! -: Es gab für unseren Vorschlag sehr viel Zustimmung aus dem Kreise der Sachverständigen, und die Kritikpunkte haben wir aufgenommen und unseren Gesetzentwurf noch mal verändert.

Ich bitte Sie daher sehr darum, unseren Gesetzentwurf nicht deshalb abzulehnen, weil da in dieser Legislaturperiode irgendwann noch mal was von Ihnen kommt. Das glaube ich erst, wenn das Ding auf dem Tisch liegt. Mindestens die Kolleginnen und Kollegen aus dem Innenausschuss kennen eine solche Ankündigung ja nun auch schon wirklich geraume Zeit. Aber schön, wenn da noch mal was kommt, werden wir uns das selbstverständlich anschauen. Aber allein die Ankündigung einer Studie macht uns noch nicht schlauer, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben es ja alle mitbekommen: Ankündigungen von wissenschaftlichen Untersuchungen werden in diesen Tagen vom Innenministerium oder von der Bundesregierung so oft, wie sie gemacht werden, auch wieder geändert oder zurückgenommen. Ich möchte Sie deswegen noch mal inständig bitten, unserem Gesetzentwurf zuzustimmen, wenn Sie nicht weiterhin eine bestenfalls wissenschaftsferne Innenpolitik hier im Deutschen Bundestag machen wollen.

Ganz herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

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