Aus dem Protokoll vom 3. April 2014:
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!
Vorhin ist schon mehrfach das Bundesverfassungs- gerichtsurteil zur Antiterrordatei angesprochen worden, in dem das informationelle Trennungsprinzip zwischen Polizei und Nachrichtendiensten eindeutig festgestellt wurde. Der erhebliche Prüf- und Änderungsbedarf, der sich aus diesem Urteil ergibt, ist, glaube ich, hier im Hause allen klar. Auch die von der Bundesregierung geleitete Kommission hat in ihrem Abschlussbericht ein- stimmig angemahnt, dass wegen der strukturellen Vergleichbarkeit mit der Antiterrordatei auch hinsichtlich der Rechtsextremismusdatei analysiert werden müsse, welche konkreten Folgerungen aus diesem Urteil abzu- leiten sind. Schön, könnte man jetzt denken, dann kommt die wissenschaftliche Evaluierung der Rechtsextremismusdatei ja gerade recht.
Kollege Binninger, Sie haben eben die sehr gute Evaluierung des IFG angesprochen. Es gibt aber einen Unterschied; denn bei der Evaluierung des IFG konnte vonseiten des Deutschen Bundestages noch Einfluss auf das Evaluierungsdesign genommen werden. Das stellt sich hier aber anders dar, weil das BMI die Federführung hat. Insofern muss man leider sagen, dass die Evaluie- rungspraxis der Bundesregierung keine allzu rühmliche Geschichte hat.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Beim Terrorismusbekämpfungsgesetz hat sich das Bundesinnenministerium ganz ungeniert selbst evaluiert mit dem Ergebnis, dass Eingriffsbefugnisse für die Sicherheitsbehörden noch nicht weit genug gehen. Als 2010 dann das Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz evaluiert wurde, hat man die grundrechtsorientierte Analyse gleich ganz vergessen. Zwar wurde noch schnell ein Rechtsgutachten nachgeschoben; aber selbst der damit beauftragte Gutachter Professor Dr. Amadeus Wolff
(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Guter Mann!)
hat öffentlich kritisiert, dass damit auch nicht bereinigt werden könne, dass bei der Evaluierung wieder nur die Vollzugsinteressen der Sicherheitsbehörden und nicht die Grundrechte im Vordergrund gestanden haben.
Bei der Antiterrordatei sah es leider nicht viel besser aus. Erst wurde die Evaluierung verschleppt, weil Fristen nicht eingehalten wurden. Dann fehlte wieder einmal die verfassungsrechtliche Analyse. Auch hier wurde auf ein rechtswissenschaftliches Zweitgutachten verwiesen, auf das wir aber bis heute warten.
Es ist zu befürchten, dass es bei der baugleichen Rechtsextremismusdatei wieder so laufen wird, wobei wir uns schon fragen, auf welcher sachlichen Grundlage wir das heute hier im Bundestag entscheiden sollen; denn, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, Sie haben es ja vermieden, Ihrem Antrag das Angebot (C) des Forschungsinstituts beizufügen, aus dem man das Evaluierungsdesign hätte erkennen können. Was ich als Mitglied des Innenausschusses darüber weiß, stimmt mich alles andere als optimistisch, ob bei der Evaluierung das Urteil berücksichtigt wird. Ich möchte hier eindeutig klarstellen: Es ist nicht so, dass ich die Kompetenzen des Instituts anzweifle; ganz im Gegenteil. Aber es ist zu befürchten, dass bei der Evaluierung wieder nur die Vollzugsinteressen im Vordergrund stehen und nicht die Grundrechte, und das, obwohl wir hier ein Bundesverfassungsgerichtsurteil umzusetzen haben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, so geht es nicht. Es ist unsere verfassungsrechtliche Pflicht, für eine verfas- sungskonforme Gesetzgebung zu sorgen und die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu achten und auch umzusetzen. Deshalb werden wir Grüne heute unser Einvernehmen nicht erteilen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Denn wo Evaluierung draufsteht, muss auch Evaluie- rung drin sein. Wenn wir hier unser Einvernehmen auf Basis Ihres Antrages erteilen würden, dann würden wir die Katze im Sack kaufen, weil wahrscheinlich außer den Mitgliedern des Innenausschusses kaum jemand etwas über das Evaluierungsdesign weiß.
(Michael Hartmann [Wackernheim] [SPD]: Es sind aber auch Grüne im Ausschuss!)
Ich sage es noch einmal ganz ausdrücklich: Uns geht es (D) um eine Evaluierung am Maßstab der Verfassung und der Grundrechte und nicht darum, hier das Institut in Misskredit zu bringen. Den Namen des Instituts haben
Sie von der Koalition hier völlig ohne Not öffentlich gemacht und nicht wir.
(Michael Hartmann [Wackernheim] [SPD]: Aber dann sind wir uns ja einig! – Clemens Binninger [CDU/CSU]: Der steht doch im Antrag, der Name des Instituts!)
Sie haben sich in Ihrem Antrag auf die Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses und auf die Not- wendigkeit bezogen, hier für einen besseren Informa- tionsaustausch zu sorgen; das haben Sie eben in Ihren Reden dargestellt. Aber man kann nicht sagen: Nur weil wir eine Rechtsextremismusdatei haben, läuft es besser. – Ein wesentliches Versagen im Zusammenhang mit dem NSU bestand ja darin, dass man den Rechtsterrorismus nicht erkannt hat. Man muss den Rechtsterrorismus doch erst einmal erkennen, bevor man damit eine Datei füllen kann. Auch das ist ein wichtiger Punkt.
Herr Binninger, Sie haben eben gesagt: Wenn man da- gegen ist, dann muss man eine Alternative bieten. – Unsere Alternative ist eine gesetzliche Einhegung gemeinsamer Zentren, orientiert an verfassungsrechtlichen Maßstäben und grundrechtlichen Aspekten.
Vielen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)