Erste Parlamentarische Geschäftsführerin | Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Rede zu den Hetzjagden in Chemnitz

Auszug aus der Niederschrift vom 07.06.2019 folgt

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ihre sogenannte Große Anfrage, meine Damen und Herren von der AfD, ist sicherlich vieles – sie ist geschichtsvergessen, sie ist unerträglich relativierend -, aber eines ist sie ganz sicher nicht: Sie ist nicht groß. Denn ganz im Gegenteil: Auf niedrigerem Niveau kann man kaum fragen, wie Sie es hier getan haben, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der FDP und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Deshalb war es von der Bundesregierung auch richtig, das in Ihrer Antwort auch klar zum Ausdruck zu bringen, nur das Nötigste zu sagen und auf Provokationen, die einen zutiefst menschenverachtenden Charakter haben, gar nicht erst einzugehen.

Übrigens: Ich finde, der sächsische Ministerpräsident könnte sich in dieser Frage in puncto Klarheit wirklich eine Scheibe abschneiden. Denn es ist doch zynisch, angesichts der Vorgänge in Chemnitz Wortklauberei zu betreiben, ob das, was dort passiert ist, per Definition nach eine Hetzjagd war oder nicht. Es geht darum, was dahinter steht. Es geht um gewaltsame Ausschreitungen gegen eine Gruppe von Menschen, an denen ein Exempel statuiert werden sollte. Aber für die AfD scheinen all diese Übergriffe überhaupt kein Problem zu sein, solange die Betroffenen nicht dabei getötet werden. Denn nur so ist Ihre Frage unter der Nummer 10 zu verstehen, in der Sie anführen, dass das zentrale Kriterium einer Hetzjagd sei, dass die – ich zitiere – potentielle Beute so lange verfolgt wird, bis sie nicht mehr entweichen kann – und weiter -, sodass sie erlegt werden kann.

(Katharina Dröge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wahnsinn!)

Das ist ekelerregend. Das ist widerwärtig, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Frank Müller-Rosentritt (FDP))

Wie verroht denken Sie eigentlich, dass Sie das zum Maßstab Ihrer Bewertungen der Ausschreitungen von Chemnitz machen?

Nein, liebe Kolleginnen und Kollegen, nicht nur vor dem Hintergrund unserer Geschichte wissen wir: Wehret den Anfängen! Wenn Menschen verfolgt, bedroht, gehetzt und genötigt werden, dann müssen wir uns gemeinsam mit der Zivilgesellschaft vor diese Opfer der Ausschreitungen stellen, und zwar entschieden und mit aller Klarheit und kompromisslos, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen über Chemnitz diskutieren, aber nicht im Geiste einer solchen Wirklichkeitsverdrehung, wie Sie die Anfrage der AfD prägt, sondern weil die Ausschreitungen von Chemnitz gezeigt haben, wie vernetzt der Rechtsextremismus heute agiert. Wie war es denn möglich, dass sich innerhalb kürzester Zeit Hunderte von Menschen zu menschenverachtenden Ausschreitungen in Chemnitz versammeln konnten? Wie war es möglich, dass der Rechtsextremismus so breit in Deutschland mobilisieren konnte, und zwar unter den Augen des Verfassungsschutzes? Deswegen mahnt uns Chemnitz, rechtsextreme Bestrebungen und Vernetzungen endlich mit der gebotenen Professionalität und auch Genauigkeit zu analysieren, damit sich solche schrecklichen Ereignisse nicht wiederholen können, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Das ist das Signal, das wir heute senden müssen: dass wir als Gesellschaft geschlossen gegen solche Rechtsextremisten stehen, dass wir uns schützend vor die Opfer solcher Ausschreitungen stellen, dass wir uns nicht auseinanderdividieren lassen und dass wir die Gefahren des Rechtsextremismus endlich ernst nehmen, anstatt eine solche Wirklichkeitsverdrehung zu betreiben.

Herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Nicole Höchst (AfD): Sie stehen gegen die Mehrheit der Bürger!)

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