Aus der Rede vom 16.1.2015
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Europa ist nicht nur ein Wirtschaftsraum, sondern auch ein Raum der Sicherheit, des Rechts und der Freiheit. Diese Freiheit zu bewahren, ist auch eine Aufgabe der Sicherheitsbehörden; denn natürlich können Konflikte und Kriminalität Ländergrenzen auch einmal überschreiten.
Eine schnelle und effiziente Zusammenarbeit von Nachbarländern ist deswegen zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger vom Grundsatz her unerlässlich. Deshalb ist dieses Abkommen nicht nur ein wichtiger Baustein, sondern auch ein längst überfälliger Schritt.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Wolfgang Gunkel [SPD])
Denn der bisherige Polizeivertrag zwischen Deutschland und Polen stammt aus dem Jahr 2002. Er hat also einer dringenden Überarbeitung bedurft, weil er aus einer Zeit stammt, in der Polen weder Mitglied in der Europäischen Union war noch an den Schengen-Regelungen teilgenommen hat.
Das gemeinsame Abkommen kann auf einer soliden Basis aufbauen. Seit 2007 existiert das Gemeinsame Zentrum der deutsch-polnischen Polizei- und Zollzusammenarbeit in Schwetig. Den Kolleginnen und Kollegen, die hier unermüdlich im Einsatz sind, möchte ich an dieser Stelle ganz ausdrücklich für ihre Arbeit danken.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Das Zentrum hilft dabei, grenzüberschreitende Operationen durchzuführen, Ressourcen zu bündeln, Sprachbarrieren zu überwinden sowie die Aufgabenerfüllung insgesamt viel effektiver zu gestalten. Allein schon das Wissen um Ansprechpartner bei den Nachbarn erleichtert Prozesse, die ansonsten sehr langwierig wären. Vor allem die gemeinsamen deutsch-polnischen Streifendienste – die bereits mehrfach angesprochen wurden – sind ein greifbares und sichtbares Symbol. Bei aller Kooperation ist es aber unerlässlich, dass die Verfahrensgarantien für Verdächtige in beiden Ländern umfassend gewahrt bleiben.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Natürlich gibt es bei der Zusammenarbeit auch Probleme: Wir haben es schließlich mit unterschiedlichen Strukturen im Staatsaufbau zu tun, mit verschiedenen Sprachen und auch mit unabhängigen Rechtsordnungen. Während zum Beispiel das Fahren ohne Fahrerlaubnis bei uns eine Straftat ist, ist es in Polen nur eine Ordnungswidrigkeit. Das nun auch bestimmte Ordnungswidrigkeiten in dem neuen Polizeivertrag erfasst sind, ist deswegen auf jeden Fall positiv.
Ich habe mich aber genauso wie Frau Jelpke darüber gewundert, wie es sein kann, dass zum Grenzgebiet aufseiten der Bundesrepublik Deutschland die Länder Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen in ihrer Gänze gehören sollen. Das erscheint mir räumlich doch eine ziemliche Ausdehnung des Begriffs „Grenzgebiet“ zu sein.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Stefan Liebich [DIE LINKE])
Abkommen und institutionelle Zusammenarbeit bleiben eine leblose Hülle, wenn man dabei die Bürgerinnen und Bürger nicht mitnimmt. Deswegen muss man sich der Polemik gegenüber vermeintlich massenhaft auftretenden Straftätern aus Polen ganz klar entgegenstellen; denn Kriminalität funktioniert nun einmal in beide Richtungen. Allein die Feststellung, dass es einen Anstieg an Diebstählen von Kraftfahrzeugen, Landmaschinen und Fahrrädern im Grenzgebiet gibt, bedeutet doch noch lange nicht, dass alle Täter aus dem Nachbarland kommen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Im Übrigen kommt es auf polnischer Seite auch zu Straftaten durch Deutsche. Kriminelle Täterbanden in der Region setzen sich oft aus Deutschen, Polen und Litauern zusammen. Der klauende Pole ist und bleibt ein plattes Klischee.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Multikulti eben!)
Es ist wichtig, dass es bei dem Abkommen über die Polizeizusammenarbeit nicht nur bei guten Absichten bleibt. Die deutsch-polnische Zusammenarbeit muss auch durch ausreichende Stellen und Mittel abgesichert werden; denn schon jetzt gehen die Beamtinnen und Beamten in diesem Gemeinsamen Zentrum an ihre Belastungsgrenzen. An technischer Ausstattung mangelt es zum Teil ebenfalls erheblich. Die Landespolizeibehörden dürfen sich hier nicht aus ihrer Verantwortung stehlen, aber sie sind an den Grenzen nun einmal auf die Unterstützung der Bundespolizei angewiesen. Anstatt die Bundespolizei also mit sachfremden Aufgaben wie mit der Bewachung der Goldreserven zu betrauen, sollten wir sie doch lieber in ihrem Kerngeschäft stärken.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ein Punkt ist mir noch sehr wichtig. Polizeiliche Einsätze an den Grenzen dürfen nicht dazu führen, dass die Schengen-Regeln ausgehebelt werden und dass verkappte Grenzkontrollen durch die Hintertür eingeführt werden. Kontrolliert werden darf nur verdachtsabhängig. Alles andere bricht das Recht und den Geist Schengens.
Es gibt in diesem Abkommen auch noch ein paar andere fragwürdige Vereinbarungen. Diese sind ja hier schon verschiedentlich angesprochen worden. Daher wäre es natürlich gut gewesen, wenn das Abkommen noch nicht unterzeichnet und wenn der Bundestag bei der Erarbeitung irgendwie beteiligt worden wäre.
In diesem Sinne: Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Susanna Karawanskij [DIE LINKE])