Aus dem Protokoll vom 27.4.2017
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wir sind uns alle einig, dass wir Gewalt gegen Einsatzkräfte nicht hinnehmen können. Die aktuellen Zahlen – hier ist die PKS gerade mehrfach zitiert worden – zeichnen in der Tat ein düsteres Bild. Aus den Erfahrungen und vielen Einzelberichten ist die Dimension dieses Problems hier allen sehr bewusst. Der Dienst an unserer Gesellschaft ist in Teilen sehr gefährlich, unabhängig davon, ob dieser Dienst auf der Straße, in der Schule, in einer Behörde oder auch vor Gericht geleistet wird. Das können und dürfen wir nicht hinnehmen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)
Das alles ist Ausdruck einer gesellschaftlichen Situation, die wir sehr ernst nehmen müssen, zweifellos. Hier sind wir alle gefragt, mit einer klugen Politik für einen besseren Zusammenhalt in der Gesellschaft zu sorgen, gegen Ausgrenzung und Gewalt zu wirken und darauf zu achten, die gesellschaftliche Stimmung durch politische Maßnahmen nicht noch zusätzlich anzuheizen.
Doch was tun wir nun? Bei der Expertenanhörung, die wir zu diesem Gesetzentwurf im Rechtsausschuss hatten, waren sich die Sachverständigen im Grunde alle einig, dass eine höhere Strafandrohung, gerade mit Blick auf die Taten, um die es hier geht, definitiv nichts bringen wird.
(Beifall des Abg. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) sowie des Abg. Frank Tempel (DIE LINKE))
Warum also tun Sie es? Sie, Herr Staatssekretär Lange, und Sie, Herr Staatssekretär Krings, sagen, es gehe Ihnen um Anerkennung und Wertschätzung. Nun, ich sage Ihnen: Wertschätzung für Einsatzkräfte, die einen wertvollen Dienst an unserer Gesellschaft leisten, lässt sich nicht über das Strafgesetzbuch verteilen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Sie sollten sich lieber darauf konzentrieren, für eine gute personelle und materielle Ausstattung zu sorgen. Herr Krings, stärken Sie diese Teile Ihres Maßnahmenbündels, das Sie vorhin vorgestellt haben. Damit tun Sie den Einsatzkräften einen weitaus größeren Gefallen. Das nützt der Eigensicherung der Beamtinnen und Beamten und macht deren Job tatsächlich sicherer. Es geht eben darum, Risiken zu vermeiden, die man auch vermeiden kann: mit genügend Leuten vor Ort zu sein beispielsweise; Digitalfunk, der tatsächlich funktioniert,
(Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das wäre was!)also auch in den Gebäuden der Deutschen Bahn; Schutzausstattung, die wirklich schützt. Sie wissen alle, wovon ich rede. Nehmen Sie die Stellungnahmen der Sachverständigen ernst, und setzen Sie sich nicht dem Vorwurf symbolischer Gesetzgebung aus.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Frank Tempel (DIE LINKE))
Dass die Täter, um die es hier geht, nicht über das Strafgesetzbuch zu erreichen sind, das wissen Sie ganz genau. Aber ich rufe es Ihnen auch gerne noch einmal ins Gedächtnis: Alle Studien zu diesem Thema belegen, dass die Alkoholisierung der Täter bei der Tatausführung eine wichtige Rolle spielt. Auch die Gruppe der psychisch auffälligen Personen ist hier zu beachten. Bei diesen Tätern findet doch vorher keine rationale Abwägung der strafrechtlichen Folgen statt; das liegt doch auf der Hand.
Noch etwas spricht gegen eine weitere Strafverschärfung: Seit 1998 ist auch die versuchte einfache Körperverletzung allgemein strafbar. Damit ist die gesonderte Strafbarkeit des tätlichen Angriffs eigentlich obsolet; denn nahezu jeder tätliche Angriff, der die Erheblichkeitsschwelle überschreitet, ist ohnehin gleichzeitig als versuchte Körperverletzung strafbar. Ihr Gesetz ist also auch darauf bezogen einfach überflüssig.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Frank Tempel (DIE LINKE))
Das gilt auch für das, was Sie mit Ihrem Änderungsantrag erreichen wollen: Sie wollen, dass die Behinderung von Personen, die anderen Menschen Hilfe leisten, bestraft wird. Aber auch das ist bereits heute möglich. Denn wenn Schaulustige, die andere bei der Hilfeleistung stören, dafür nicht zur Rechenschaft gezogen werden, dann liegt das nicht etwa an fehlenden Gesetzen, sondern dann ist das einzig und allein ein Vollzugsproblem: Derjenige, der nicht hilft und nicht beiseitetritt, um andere Helfer durchzulassen, macht sich bereits nach geltendem Recht wegen unterlassener Hilfeleistung strafbar.
Besonders schwer bestraft wird außerdem, wer bei Unglücksfüllen Hilfeleistende der Feuerwehr, des Katastrophenschutzes oder eines Rettungsdienstes durch Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt behindert oder sie tätlich angreift; das ist alles heute schon strafbar. Das Vollzugsproblem erklärt sich aber auch aus den besonderen Umständen der Tat; denn Polizeikräfte, die vor Ort sind, haben bei Unglücksfällen in aller Regel Wichtigeres zu tun, als die Personalien der Schaulustigen aufzunehmen. Da nützen aber auch die vielen neuen Gesetze nichts, wenn die Taten nicht verfolgt werden.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Lassen Sie mich zum Schluss sagen: Ich finde es sehr bedauerlich, dass Sie hier Ihre und unsere Zeit mit der Beratung solcher symbolischen Gesetze verschwenden,
(Beifall der Abg. Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Widerspruch bei der CDU/CSU)
anstatt ernsthaft daran zu arbeiten, die Rahmenbedingungen für Einsatzkräfte im täglichen Dienst spürbar zu verbessern und so für einen besseren Schutz zu sorgen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)