Erste Parlamentarische Geschäftsführerin | Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Rede zur polizeilichen Zusammenarbeit zwischen Deutschland und der Tschechischen Republik

Irene Mihalic im Plenum des Bundestages

Aus dem Protokoll vom 17.3.2016

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Von meinen Vorrednerinnen und Vorrednern ist bereits darauf hingewiesen worden, dass grenzüberschreitende Kriminalität natürlich besondere Herausforderungen für die Polizeiarbeit zur Folge hat und dass man ohne entsprechende Abkommen oder ohne die Zusammenarbeit zwischen den Nachbarstaaten zu regeln, diesem Problem nicht Herr werden wird. Dabei liegt es natürlich auf der Hand, dass offene Grenzen ganz besondere Anstrengungen in diesem Bereich erforderlich machen.

Ich möchte aber gern auf einen anderen Punkt hinweisen; denn wir diskutieren heute darüber, ob wir einem bilateralen Vertrag zustimmen, der immerhin vor fast einem Jahr geschlossen wurde, am 28. April 2015. Es ist meiner Ansicht nach daher durchaus angebracht, sich zu vergegenwärtigen, dass gerade das letzte Jahr erhebliche Veränderungen für die beteiligten Staaten, Europa und auch die Welt insgesamt gebracht hat.

Wenn ich nur einmal daran erinnern darf: Kein anderes Thema hat den politischen Diskurs in der Vergangenheit so stark geprägt wie die Flucht vieler Menschen nach Europa – in Deutschland, aber auch in der Tschechischen Republik. Sie alle kennen die Äußerungen des Präsidenten der Tschechischen Republik in Bezug auf Flüchtlinge. Ich bin davon überzeugt, dass keine hier im Bundestag vertretene Partei ein solches Maß an Fremdenfeindlichkeit gutheißt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Deshalb sage ich, dass wir dringend eine Zusammenarbeit in Europa brauchen, die von gemeinsamen Werten getragen ist und sich im Kontext der internationalen Entwicklung fortschreiben lässt. Wenn eine Mehrheit hier im Deutschen Bundestag diesem Polizeiabkommen zustimmen wird, dann darf das nicht darüber hinwegtäuschen, dass die größten Herausforderungen in der europäischen Sicherheitspolitik noch vor uns liegen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Herr Krings, Frau Mittag, Sie haben darauf hingewiesen, dass wir natürlich ein Problem im Bereich der Betäubungsmittelkriminalität haben, insbesondere bei Crystal-Meth-Laboren. Aber das betrifft eben auch das Thema Waffen und Sprengstoffe. Der tschechische Waffenmarkt, insbesondere der illegale Waffenmarkt, hat  das gilt auch für einige andere Nachbarländer  in der Vergangenheit für die Bewaffnung bestimmter Szenen und Gruppierungen gesorgt und eine erhebliche Bedeutung gehabt.

Jetzt ist der Vertrag bereits unterzeichnet. Das heißt, wir beraten zwar im Deutschen Bundestag darüber, aber Änderungen sind in diesem Zusammenhang nicht mehr möglich. Es wäre daher sicherlich sinnvoll gewesen, Fragen wie die der Betäubungsmittelkriminalität oder der illegalen Waffenmärkte im Vorfeld der Verhandlungen über ein solches Abkommen hier im Hause einmal zu erörtern.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Ulla Jelpke (DIE LINKE))

Für eine bessere parlamentarische Beteiligung spricht meines Erachtens auch, dass es hier um Befugnisse geht, die Polizeikräften anderer Staaten Grundrechtseingriffe auf dem jeweiligen anderen Staatsgebiet ermöglichen; darauf hat auch die Kollegin Jelpke noch einmal hingewiesen. Für dieses Abkommen ist das jetzt natürlich leider vergossene Milch – das muss man so sagen -; aber zukünftig würde ich mir wünschen, dass wir eine parlamentarische Befassung haben, bevor ein solches Abkommen unterschrieben wird.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Ulla Jelpke (DIE LINKE))

Es ist mir bewusst: Das ist formal nicht vorgesehen. Aber das hindert die Bundesregierung ja nicht daran, das vielleicht einmal zu versuchen.

Zum Inhalt des Vertrages möchte ich eigentlich nur noch ergänzend sagen – dazu ist hier ja schon viel Richtiges gesagt worden -, dass die Zusammenarbeit, die dort geregelt ist, teilweise sehr weit geht. Wenn etwa ganze Bundesländer zu Grenzgebieten erklärt werden, dann frage ich mich, ehrlich gesagt, ob das sachlich gerechtfertigt ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Ulla Jelpke (DIE LINKE))

Ich sehe in einer solchen Regelung eher ein Zeichen dafür, dass wir neue Formen der europäischen polizeilichen Zusammenarbeit in einem Europa ohne Grenzen finden müssen.

Ganz herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)