Aus dem Protokoll vom 02.07.2015:
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Wir alle sind immer noch schockiert über die jüngsten Terroranschläge in Frankreich, in Tunesien, aber auch in Kuwait, im Jemen und jetzt auch in Ägypten. Wir fühlen und trauern mit den Angehörigen der vielen Todesopfer und Verletzten. Wir müssen selbstverständlich alles in unserer Macht Stehende tun, um der konstant hohen Terrorgefahr auch hierzulande mit rechtsstaatlichen Mitteln wirksam zu begegnen.
In diesem Zusammenhang ist es meiner Ansicht nach allerdings wenig hilfreich, wenn Bundeskanzlerin Merkel unmittelbar nach den Anschlägen vom Freitag quasi aus der Hüfte den Versuch macht, die Ereignisse auf ihre Weise zu analysieren. Wie kann man mit so wenig Faktenwissen die Anschläge mit einem – so wörtlich – „Einsickern von IS-Terroristen“ begründen? Wie kann man überhaupt, ohne Details zu haben, davon sprechen, dass der Anschlag von Menschen verübt wurde, die nicht schon längst dort lebten, in Frankreich und in Tunesien? Wie kann man dann bitte zu der Schlussfolgerung kommen, zu der Frau Merkel kam? Ich zitiere eine Reuters-Meldung vom Tag der Anschläge:
Wir wissen, dass wir gerade mit Blick auf die Migrationspolitik aufpassen müssen, dass nicht islamistische Kämpfer eindringen in die EU.
(Max Straubinger (CDU/CSU): Natürlich! Das ist ja auch richtig!)
Diese Vermischung der Terrorgefahr mit der Flüchtlingspolitik – das will ich Ihnen einmal sagen – ist nicht nur fachlich völlig falsch, sondern auch brandgefährlich, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Thomas Strobl (Heilbronn) (CDU/CSU): Da liegen Sie aber so was von daneben! Das ist ja von Ahnungslosigkeit geprägt!)
Wir alle müssen sehr aufpassen, dass wir mit unserer Wortwahl nicht denen eine scheinbare Legitimation verschaffen, die Flüchtlinge bedrohen und Asylunterkünfte anzünden.
(Thomas Strobl (Heilbronn) (CDU/CSU): Das ist ja unterirdisch!)
Genau deshalb – das sage ich Ihnen, Herr Strobl, da Sie sich bei Gelegenheit auch mal an innenpolitischen Debatten beteiligen –
(Thomas Strobl (Heilbronn) (CDU/CSU): Wo ist eigentlich der Sprücheklopfer von Notz heute? Der klopft nämlich sonst solche Sprüche! – Gegenruf der Abg. Monika Lazar (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der sitzt im Untersuchungsausschuss!)
war das Attentat vom 26. Juni der absolut falsche Anlass, eine parteipolitische Debatte anzuzetteln.
Da Sie, Herr Strobl, ja vorhin darum gebeten haben, dass wir sagen, auf welches Zitat wir uns beziehen, helfe ich Ihnen jetzt einmal auf die Sprünge.
(Thomas Strobl (Heilbronn) (CDU/CSU): Hoi! Jetzt aber!)
Das Zitat war:
Es ist bezeichnend, dass zu den schrecklichen Anschlägen in Sousse und Lyon kein Wort von den Grünen und den Linken zu hören ist.
(Max Straubinger (CDU/CSU): So ist es!)
Sie haben, was die Sicherheit der Menschen in Deutschland angeht, offenbar nichts zu sagen.
(Monika Lazar (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Unverschämtheit so etwas! – Max Straubinger (CDU/CSU): Da hat der Kollege Strobl recht!)
Herr Strobl, allein der Respekt vor den Opfern und ihren Familien verbietet es,
(Thomas Strobl (Heilbronn) (CDU/CSU): Ojemine!)
diese Debatte für durchsichtige parteipolitische Manöver zu nutzen, wie Sie es getan haben. Das gehört sich einfach nicht.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Thomas Strobl (Heilbronn) (CDU/CSU): Das hat der Sprücheklopfer von Notz schon versucht! Wo ist der denn heute?)
– Jetzt regen Sie sich mal nicht so auf, Herr Strobl! Ihr kleines Manöver war durchsichtig. Es ist aufgeflogen.
(Max Straubinger (CDU/CSU): Überhaupt nicht aufgeflogen! – Thomas Strobl (Heilbronn) (CDU/CSU): Getroffene Hunde bellen! – Gegenruf des Abg. Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): Ja, Sie bellen die ganze Zeit schon!)
Leben Sie damit! Tragen Sie es mit Fassung!
Im Gegensatz zu Ihnen reden wir erst, wenn wir tatsächlich etwas zu sagen haben, nämlich dann, wenn die Fakten auf dem Tisch liegen.
(Max Straubinger (CDU/CSU): Das merkt man tatsächlich, ja!)
Wir sind jetzt einen Schritt weiter, nachdem wir die Debatte im Innenausschuss haben aufsetzen lassen. So können wir – Stand heute – sagen, dass es ganz anders war, als die Kanzlerin es am Freitag mal eben auf die Schnelle analysiert hat. Nicht reisende IS-Kämpfer waren das Problem, sondern zumindest in Frankreich und Tunesien waren es Menschen aus der Mitte der Gesellschaft,
(Thomas Strobl (Heilbronn) (CDU/CSU): Gott sei Dank haben wir die Schlaumeier bei den Grünen! – Gegenruf der Abg. Monika Lazar (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist selbst unter Ihrem Niveau, Herr Strobl, was Sie hier von sich geben!)
Menschen, die dort schon länger lebten, die dort zur Schule gegangen sind, die soziale Kontakte hatten.
Dieser Analyse müssen wir uns auch hier in Deutschland stellen. Die Terrorgefahr entspringt hier aus unserer Gesellschaft, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Max Straubinger (CDU/CSU): Und von außen!)
Doch genau das ignorieren Sie, meine Damen und Herren, auch von der Bundesregierung, konsequent.
(Thomas Strobl (Heilbronn) (CDU/CSU): Haben Sie eigentlich dem Innenminister zugehört?)
Sie kümmern sich ausschließlich um reisende Täter, und das auch noch mit unbrauchbaren Maßnahmen wie dem Personalausweis für Terroristen.
(Sabine Weiss (Wesel I) (CDU/CSU): Das ist völlig falsch!)
Da muss man doch nur einmal das Muster der Anschläge zu dieser Maßnahme ins Verhältnis setzen. Wenn man das täte, würde man feststellen: Da ist nichts, was irgendwie geholfen hätte, diese Anschläge zu verhindern.
Das, was wirklich etwas bringen würde – das verkünden Sie hier in Reden; das packen Sie aber nicht an -, das wäre Prävention. Das wäre ein Thema – also von wegen: Ich habe nicht zugehört. Ich habe sehr gut zugehört.
(Thomas Strobl (Heilbronn) (CDU/CSU): Offensichtlich nicht! Schauen Sie mal, was in Hessen gemacht wurde in den Gefängnissen!)
Aber leider folgt daraus keine Maßnahme.
Schon heute gibt es viele Ansätze, das Problem der Radikalisierung von Menschen an der Wurzel zu packen: in Familien, in den Schulen, in den Religionsgemeinschaften. Herr de Maizière, Sie haben selbst gesagt, dass man vor dieser wichtigen Arbeit den Hut ziehen muss. Das teile ich ausdrücklich. Doch diese Arbeit bleibt ein Flickenteppich, wenn keine vernünftige Vernetzung, wenn keine Koordinierung stattfindet. Wir brauchen endlich eine nationale Präventionsstrategie, um diese wichtigen Ansätze und diese wertvolle Arbeit zu bündeln und auch finanziell verlässlich zu gestalten. Das wäre Ihre Aufgabe.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Ich kann nicht nachvollziehen, warum Sie sich bis heute nicht darum kümmern.
(Thomas Strobl (Heilbronn) (CDU/CSU): Wie bitte?)
Denn da tun Sie nicht alles, um den Terror zu verhindern. Vielleicht ist es Ihnen zu kompliziert.
(Thomas Strobl (Heilbronn) (CDU/CSU): Das ist platt!)
Vielleicht ist Ihnen auch der mediale Ertrag zu gering. Über die Gründe kann ich offen gestanden nur spekulieren. Leider vergessen Sie dabei eines: Die Bürgerinnen und Bürger erwarten zu Recht, dass Sie die Terrorgefahr nicht nur in Worten, sondern eben auch in Taten ernst nehmen.
Nehmen Sie den Auftrag endlich an, hören Sie auf mit Symbolpolitik, und lassen Sie bitte diese parteipolitische Spiegelfechterei auf dem Rücken von Anschlagsopfern!
Ganz herzlichen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Sabine Weiss (Wesel I) (CDU/CSU): Was machen Sie denn? – Weitere Zurufe von der CDU/CSU)