Erste Parlamentarische Geschäftsführerin | Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Lange Wartezeiten bei der Bearbeitung von Beihilfeanträgen, insbesondere der Bundeswehr und der Bundespolizei

Kleine Anfrage der Abgeordneten Agnieszka Brugger, Irene Mihalic, Dr. Konstantin von Notz, Katja Keul, Tom Koenigs, Omid Nouripour und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Die Beihilfe ist eine eigenständige, ergänzende und beamtenrechtliche Krankenfürsorge. Neben Beamtinnen und Beamten, Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfängern sowie früheren Beamtinnen und Beamten können weitere Personengruppen auf Grund spezialgesetzlicher Verweisungen einen Beihilfeanspruch haben, zum Beispiel nach § 31 des Soldatengesetzes. Der Beihilfeanspruch umfasst nach § 80 des Bundesbeamtengesetzes (BBG) u. a. die Erstattung der notwendigen und angemessenen Aufwendungen in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen, zur Früherkennung von Krankheiten und für Schutzimpfungen.

Die Rechtsverordnung zur Gewährung von Beihilfe in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen (Bundesbeihilfeverordnung – BBhV) erfährt durch die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Bundesbeihilfeverordnung (BBhVVwV) vom 13. Juni 2013 weitere Konkretisierungen. Ehegattinnen, Ehegatten, Lebenspartnerinnen, Lebenspartner und Kinder von Beihilfeberechtigten erhalten, sofern sie berücksichtigungsfähig sind, ebenfalls Beihilfeleistungen.

Nach § 10 Absatz 1 Satz 1 BBhV besteht auf Beihilfe ein Rechtsanspruch.

 

In der Praxis folgt aus dem Kostenerstattungsprinzip, dass die Beamtin oder der Beamte eine Rechnung als Privatpatientin oder Privatpatient erhält, diese begleicht und ihr oder ihm die beihilfefähigen Aufwendungen entsprechend dem Beihilfebemessungssatz anschließend erstattet werden. Die BBhV verzichtet weitgehend auf bindende Formvorschriften für das Antragsverfahren. Damit soll „den Festsetzungsstellen die Möglichkeit gegeben werden, ein auf ihre individuellen Bedürfnisse abgestimmtes Verfahren zu gestalten“, § 51 Absatz 3 Satz 1 BBhVVwV.

Kommt es bei den Festsetzungsstellen zu längeren Bearbeitungszeiten, bedeutet dies für die Beihilfeberechtigten, dass sie für entstandene Kosten – die Zahlung von Medikamenten, der Arztbehandlung oder eines Krankenhausaufenthaltes – in Vorlage treten müssen. Ärztliche Zahlungsfristen bedingen Mahnungen, Mahngebühren und bei längeren Zeiträumen auch Inkassogebühren. Dies kann für die Betroffenen erhebliche finanzielle Belastungen bedeuten, indem diese ihre zinspflichtigen Dispositionskredite oder Darlehen in Anspruch nehmen müssen. Viele Beihilfeberechtigte empfinden diese Verzögerungen und ihre Folgen auch als Ausdruck mangelnder Wertschätzung seitens ihres Dienstherrn. Des Weiteren kann dies bei den Beihilfeberechtigten – neben dem bürokratischen Aufwand – zu sozialen Härten führen.

Drucksache 18/189 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Im Zusammenhang mit der Bearbeitung der Beihilfeanträge der Bundeswehr, kam es bereits im letzten Jahr über die lange Dauer der Bearbeitung zu Beschwerden. Im August 2013 beliefen sich die Bearbeitungsrückstände auf insgesamt ca. 70 000 unerledigte Beihilfeanträge, davon ca. 60 000 im Bereich der Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger (vgl. Bundestagsdrucksache 17/14617).

Diese Bearbeitungsrückstände traten während des Prozesses der Neustrukturierung der Bundeswehr auf. Die Staatssekretäre der Bundesministerien der Verteidigung, der Finanzen und des Innern vereinbarten am 2. November 2012 die Verlagerung von Aufgaben der Personalabrechnung sowie von Abrechnungsaufgaben des künftigen Travel Managements der Bundeswehr von der Wehrverwaltung in das Bundesministerium der Finanzen (BMF) und das Bundesministerium des Inneren (BMI), um den Verwaltungsapparat durch Zentralisierung zu optimieren. In der Folge wurde die Zuständigkeit für die Beihilfe am 1. Juli 2013 von der Wehrverwaltung in das BMF verlagert.

Ebenso wurden auch aus den Reihen der Bundespolizei zunehmend Fälle bekannt, in denen es vorrangig bei den Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfängern zu unzumutbaren langen Bearbeitungszeiten und in diesem Zusammenhang zu sozialen Härten gekommen ist (vgl. Polizeispiegel, November 2013/47. Jahrgang).

Wir fragen die Bundesregierung:

Zu den Beihilfeangelegenheiten der Bundeswehr

1.Wie hat sich die durchschnittliche Dauer der Bearbeitung der Beihilfeanträge für Besoldungsempfängerinnen und Besoldungsempfänger sowie für Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger nach Kenntnis der Bundesregierung in den letzten zwölf Monaten entwickelt (bitte detailliert nach Monat und Beihilfebearbeitungsstellen aufschlüsseln)?

a)Wird in diesen Bearbeitungszeitraum auch die Zeit seit dem Eingang des Beihilfeantrages mit eingerechnet oder nur die reine Bearbeitungszeit?

b)Wenn es sich nur um die reine Bearbeitungszeit handelt, wie viel Zeit verging in den letzten zwölf Monaten durchschnittlich zwischen Antragseingang und Bearbeitungsbeginn?

c)Gibt es hinsichtlich des Bearbeitungsbeginnes Unterschiede im Hinblick auf die einzelnen Formen der Beantragung (Fax, E-Mail, Briefpost, Hauspost, persönliche Einreichung)?

d)Wenn ja, welche?

2.Wie viele Beihilfeanträge sind derzeit seit mehr als zwei Wochen nach Eingang des Beihilfeantrages noch unbearbeitet (bitte nach Beihilfebearbeitungsstellen aufschlüsseln)?

Bis wann sollen die Bearbeitungszeiten der Beihilfeanträge auf die normale Dauer von neun bis fünfzehn Tagen reduziert werden?

3.Welche personellen und strukturellen Maßnahmen wurden wann im Rahmen der Neustrukturierung der Bundeswehr seitens der Wehrverwaltung und des BMF seit der Ressortvereinbarung zur Verlagerung der Beihilfe von der Wehrverwaltung in das BMF vom 2. November 2012 ergriffen?

a)Welche Auswirkungen hatten diese personellen und strukturellen Maßnahmen auf die Bearbeitungsdauer der Beihilfeanträge?

b)Wurden anschließend, mit Bekanntwerden der verzögerten Bearbeitungsdauer, personelle oder organisatorische Veränderungen vorgenommen, um die Bearbeitungszeit der Beihilfeanträge weiter zu verkürzen?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/189

c)Wenn ja, welche?

d)Wenn nein, warum nicht?

e)Erfolgt eine prioritäre Bearbeitung zum Beispiel für Beamte des einfachen Dienstes, mittleren Dienstes, chronisch Kranke bzw. Pensionärinnen und Pensionäre mit Mindestruhegehalt?

f)Wenn ja, seit wann, und für welche Beihilfeberechtigten?

g)Wenn nein, warum nicht?

4.Wie viel Personal ist aktuell jeweils mit der Bearbeitung von Beihilfeanträgen betraut (bitte nach Beihilfebearbeitungsstellen aufschlüsseln)?

a)Sind die geschaffenen Kapazitäten nach Auffassung der Bundesregierung ausreichend?

b)Wenn nein, warum nicht?

5.Erfolgt eine automatisierte Bearbeitung der Beihilfeanträge mit entsprechenden zeitsparenden Softwareprogrammen?

a)Wenn ja, welche Programme werden eingesetzt, wodurch zeichnen diese sich aus, und seit wann werden sie zur Bearbeitung verwendet?

b)Wenn nein, warum nicht?

6.Wie viele Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger, deren Beihilfeanträge sich auf einen Rechnungsbetrag zwischen 1 000 und 2 500 Euro belaufen, haben gemäß der Entscheidung von 5. August 2013 (vgl. Bundestagsdrucksache 17/14777) Abschlagszahlungen erhalten (bitte prozentual nach Beihilfebearbeitungsstellen aufschlüsseln)?

a)In welchem Zeitraum wurden diese Abschlagszahlungen ausgezahlt?

b)Bei wie vielen Beihilfeanträgen mit einem Rechnungsbetrag zwischen 1 000 und 2 500 Euro wurden Abschlagszahlungen nicht gewährt, und warum nicht?

7.Wie viele Beihilfeanträge von Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger mit Rechnungsbeträgen unterhalb von 1 000 Euro wurden gemäß der Entscheidung von 19. August 2013 (vgl. Bundestagsdrucksache 17/14777) mit einem beschleunigten risikoorientierten Prüfverfahren bearbeitet (bitte prozentual nach Beihilfebearbeitungsstellen aufschlüsseln)?

a)Wie unterscheidet sich das beschleunigte risikoorientierte Prüfverfahren gegenüber dem vorherigen Prüfverfahren?

b)Wie hat sich die durchschnittliche Bearbeitungsdauer der beschleunigten risikoorientierten Prüfverfahren seit dem 19. August 2013 entwickelt (bitte detailliert nach Monat und Beihilfebearbeitungsstellen aufschlüsseln)?

c)Wie viele Beihilfeanträge von Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfängern mit Rechnungsbeträgen unterhalb von 1 000 Euro wurden nicht mit einem beschleunigten risikoorientierten Prüfverfahren bearbeitet, und warum nicht (bitte prozentual nach Beihilfebearbeitungsstellen aufschlüsseln)?

8.Wurden in den letzten zwölf Monaten Untätigkeitsklagen in Bezug auf die Bearbeitungsdauer erhoben?

a)Wenn ja, um wie viele Untätigkeitsklagen handelt es sich?

b)Wenn ja, welchen Verfahrensausgang haben diese Untätigkeitsklagen genommen?

Drucksache 18/189 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

9.Welche Bearbeitungszeit ist nach Auffassung der Bundesregierung noch angemessen (bitte Arbeitstage angeben)?

10.Welche personellen und organisatorischen Maßnahmen werden aktuell ergriffen, um die Bearbeitungszeit von Beihilfeanträgen zu reduzieren?

Zu den Beihilfeangelegenheiten der Bundespolizei

11.Wie hat sich die durchschnittliche Dauer der Bearbeitung der Beihilfeanträge für Beihilfeberechtigte bei der Bundespolizei, hier insbesondere bei den Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfängern, deren Beihilfeanträge von den Bundesfinanzdirektionen bearbeitet werden, nach Kenntnis der Bundesregierung in den letzten zwölf Monaten entwickelt (bitte detailliert nach Monat und Beihilfebearbeitungsstellen aufschlüsseln)?

a)Wird in diesen Bearbeitungszeitraum auch die Zeit seit dem Eingang des Beihilfeantrages mit eingerechnet oder nur die reine Bearbeitungszeit?

b)Wenn es sich nur um die reine Bearbeitungszeit handelt, wie viel Zeit verging in den letzten zwölf Monaten durchschnittlich zwischen Antragseingang und Bearbeitungsbeginn?

c)Wie viele Beihilfeanträge sind derzeit seit mehr als zwei Wochen nach Eingang des Beihilfeantrages noch unbearbeitet (bitte nach Beihilfebearbeitungsstellen aufschlüsseln)?

d)Gibt es hinsichtlich des Bearbeitungsbeginnes Unterschiede im Hinblick auf die einzelnen Formen der Beantragung (Fax, E-Mail, Briefpost, Hauspost, persönliche Einreichung)?

e)Wenn ja, welche?

12.Sind personelle Veränderungen geplant, um die Bearbeitungszeit der Beihilfeanträge zu verkürzen?

a)Wenn ja, welche?

b)Wenn nein, warum nicht?

13.Wurden organisatorische Veränderungen vorgenommen, um die Dauer der Bearbeitungszeit zu reduzieren bzw. um soziale Härten zu vermeiden, und erfolgt hier eine prioritäre Bearbeitung zum Beispiel für chronisch Kranke bzw. Pensionäre mit Mindestruhegehalt?

a)Wenn ja, welche?

b)Wenn ja, seit wann, und für welche Beihilfeberechtigten?

c)Wenn nein, warum nicht?

14.Wie viel Personal ist aktuell jeweils mit der Bearbeitung von Beihilfeanträgen betraut (bitte nach Beihilfebearbeitungsstellen aufschlüsseln)?

a)Sind die geschaffenen Kapazitäten nach Auffassung der Bundesregierung ausreichend?

b)Wenn nein, warum nicht?

15.Erfolgt eine automatisierte Bearbeitung der Beihilfeanträge mit entsprechenden zeitsparenden Softwareprogrammen?

a)Wenn ja, welche Programme werden eingesetzt, wodurch zeichnen sich diese aus, und seit wann werden sie zur Bearbeitung verwendet?

b)Wenn nein, warum nicht?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/189

16.Wie viele Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger, deren Beihilfeanträge sich auf einen Rechnungsbetrag zwischen 1 000 und 2 500 Euro belaufen, haben Abschlagszahlungen erhalten (bitte prozentual nach Beihilfebearbeitungsstellen aufschlüsseln)?

a)In welchem Zeitraum wurden diese Abschlagszahlungen ausgezahlt?

b)Bei wie vielen Beihilfeanträgen mit einem Rechnungsbetrag zwischen 1 000 und 2 500 Euro wurden Abschlagszahlungen nicht gewährt, und warum nicht?

17.Wurden in den letzten zwölf Monaten Untätigkeitsklagen in Bezug auf die Bearbeitungsdauer erhoben?

a)Wenn ja, um wie viele Untätigkeitsklagen handelt es sich?

b)Wenn ja, welchen Verfahrensausgang haben diese Untätigkeitsklagen genommen?

18.Bis wann sollen die Bearbeitungszeiten der Beihilfeanträge auf die normale Dauer von neun bis 15 Tagen reduziert werden?

19.Welche zusätzlichen personellen und strukturellen Maßnahmen werden aktuell ergriffen, um die Bearbeitungszeit der Beihilfeanträge weiter zu reduzieren?

20.Gibt es bereits Pläne, die Beihilfegewährung durch die Einführung von so genannten Beihilfekarten für Beschäftigte und Versorgungsempfänger zu vereinfachen, um finanzielle und soziale Härten insbesondere bei kostenintensiven Krankenhausbehandlungen durch Abtretung der Beihilfeansprüche an die Krankenhäuser und die behandelnden Ärzte zu vermeiden?

a)Wenn ja, um welche Pläne handelt es sich, und bis wann sollen sie umgesetzt werden?

b)Wenn nein, warum nicht?

Beihilfebearbeitung für andere Bundesbeihilfeberechtigte

21.Welche weiteren Fälle von Bundesbeihilfeberechtigten mit mehr als zwei Wochen durchschnittlicher Bearbeitungsdauer in den letzten zwölf Monaten sind der Bundesregierung bekannt?

a)Worauf ist die verzögerte Bearbeitung jeweils zurückzuführen?

b)Welche Maßnahmen wurden jeweils zur Behebung der Bearbeitungsrückstände ergriffen oder sollen zukünftig ergriffen werden?

Berlin, den 16. Dezember 2013

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion