Erste Parlamentarische Geschäftsführerin | Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Rede zum 35. Jahrestag der Konstituierung des ersten gesamtdeutschen Bundestages

Auszug aus der Niederschrift vom 18.12.2025

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Vor 35 Jahren ist auch parlamentarisch zusammengewachsen, was zusammengehörte. Der frei gewählte erste gesamtdeutsche Bundestag trat zusammen und nahm seine Arbeit auf. Das war der Beginn eines neuen Kapitels unserer Geschichte.

Damals gab es einen eher kleinen, heute fast vergessenen Antrag der Gruppe Bündnis 90, auf die eben schon hingewiesen wurde. Die Gruppe schlug vor, die Wahlperioden neu zu zählen. Heute wären wir dann nicht in der 21., sondern in der 10. Wahlperiode. Ohne diesen Vorschlag jetzt im Detail zu bewerten, kann man sagen: Vielleicht hätte eine neue Zählung geholfen, nicht das Weiter-so zu betonen, sondern das Neue. 

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Denn eines war ein wirklich großer Irrtum jener Zeit: die Annahme, dass nach dem Ende des Kalten Krieges die Welt nun dauerhaft stabil sei. Das von Francis Fukuyama ausgerufene „Ende der Geschichte“ hat es nicht gegeben. Fortschritt, Freiheit und Demokratie, meine Damen und Herren, entstehen nicht von selbst. Sie müssen immer wieder neu erkämpft werden. 

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie des Abg. Sepp Müller (CDU/CSU))

Wer diesen Kampf aufgibt, überlässt die Geschichte Autokraten, Despoten und Faschisten. 

Die heutige Weltlage zeigt uns das sehr deutlich: Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sind niemals selbstverständlich. Sie müssen immer wieder verteidigt und manchmal auch zurückerobert werden.

(Dr. Götz Frömming (AfD): Machen wir!)

Ihre Geschichte selbst in die Hand genommen haben viele mutige Bürgerrechtlerinnen und Bürgerrechtler in der DDR. Ihr Einsatz war unverzichtbar für die friedliche Revolution, und viele ihrer Ideen hätten noch stärker in die Zeit nach 1990 einfließen sollen, 

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

wie zum Beispiel die Idee der Bürgerräte, auf die Michael Kellner eben eingegangen ist. 

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Stephan Brandner (AfD): Um Gottes willen! Bloß nicht! Wir sind keine Räterepublik!)

Doch ein zentrales Ziel wurde erreicht: freie Wahlen, zuerst zur 10. Volkskammer und dann zum ersten gesamtdeutschen Bundestag. Ich war damals noch Schülerin. Für mich war das sehr beeindruckend. Ich war zwar erst 14 Jahre alt und durfte noch nicht wählen. Aber ich habe gespürt, wie besonders dieser Moment war. 

Und auch hier gilt: Wir dürfen freie Wahlen nicht als etwas betrachten, das immer und für alle Zeit gesichert ist;

(Stephan Brandner (AfD): Daran arbeiten Sie ja, das abzuschaffen!)

diese Annahme wäre gefährlich naiv. Denn wir haben es heute schwarz auf weiß in den Berichten unserer Nachrichtendienste: 

(Stephan Brandner (AfD): Ihrer Nachrichtendienste!)

Russland führt nicht nur einen grausamen Angriffskrieg gegen die Ukraine, Russland hat mit der Kampagne „Storm-1516“ auf die letzte Bundestagswahl massiv Einfluss genommen; und das alles zulasten von Parteien der demokratischen Mitte und zugunsten einer Partei, die den Krieg gegen die Ukraine unterstützt,

(Stephan Brandner (AfD): Die demokratische Rechte!)

die russische Interessen bedient und die deutsche Außenpolitik systematisch untergräbt. 

Auf solche Angriffe auf unsere Demokratie ist unser Land, meine Damen und Herren, denkbar schlecht vorbereitet, und das müssen wir dringend ändern. 

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Wir müssen alles tun, um freie Wahlen besser zu schützen; 

(Stephan Brandner (AfD): … besser in den Griff zu bekommen!)

denn auch hier ist die Geschichte nicht zu Ende. 

Autokratien wie Russland werden weitermachen. Sie setzen Parteien wie die AfD gezielt ein, sozusagen als politische Drohnen: billig, leicht zu steuern, aber leider sehr wirkungsvoll. 

(Ronald Gläser (AfD): Lächerlich! – Ates Gürpinar (Die Linke): Billig und leicht zu steuern!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns die heutige Debatte nicht so verstehen, dass wir einen weiteren Haken unter die deutsche Geschichte setzen. 

(Stephan Brandner (AfD): „Haken“ darf man nicht sagen!)

Wir müssen das, was wertvoll ist, entschlossen und mit allem, was wir haben, gegen die Feinde von innen und von außen verteidigen. Das ist das lebendige Vermächtnis der Wende- und Wandeljahre nach 1989. 

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

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