Erste Parlamentarische Geschäftsführerin | Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

„Die AfD ist die düstere Gegenerzählung zum Grundgesetz“ – Debatte zur Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages

Der Bundestag ist das Herz unserer Demokratie. Seit 2017 gibt es dort eine Kraft, die es sich zur Aufgabe gemacht, den demokratisch Rhythmus zum stocken zu bringen. Mit unserer Geschäftsordnung können wir dem etwas entgegen setzen. Derzeit findet eine Debatte darüber statt, wie die aussehen müsste. Der Entwurf der Koalition geht aus unserer Sicht in die richtige Richtung, greift aber zu kurz. 

Eine Richtschnur könnte Artikel 3 des Grundgesetzes liefern. Auch wenn er noch nicht komplett ist und dort die sexuelle Identität fehlt, liefert er uns den Auftrag, Diskriminierung von Personengruppen nicht zuzulassen. Die findet im Parlament regelmäßig durch eine AfD statt, die die düstere Gegenerzählung zu unserem Grundgesetz ist. 

Auszug aus der Niederschrift vom 12.09.25

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Es sollte eine große Reform der Geschäftsordnung werden. Aber da waren wir mit dem Vorschlag, den wir noch als Ampel in der vergangenen Wahlperiode gemacht haben, deutlich ambitionierter. Es ist schade, dass Sie sich mit Ihrem Reformvorschlag nicht auf die Herausforderungen unserer Zeit einstellen. Wir finden zum Beispiel – und das kam jetzt gerade noch einmal sehr gut zum Ausdruck -, dass der Umgang miteinander hier im Parlament die Visitenkarte des Hohen Hauses ist und deshalb auch ein wichtiges Anliegen sein sollte. Das gilt vor allem auch für die Debattenkultur.

Das, was Sie regeln, ist ja größtenteils unstrittig oder okay. Zwischenfragen und Kurzinterventionen bei Aktuellen Stunden – das finden wir ganz wunderbar. Ausdrückliche Verfahrensregeln zur Abwahl von Vizepräsidentinnen und -präsidenten, Ausschussvorsitzenden, Schriftführerinnen und Schriftführern – es ist sehr gut, dass es da bald Klarheit gibt. Die Änderung des Abgeordnetengesetzes mit den schärferen Regeln und höheren Geldabzügen bei Abwesenheiten, auch das finden wir gut. Auch dass Ausschussvorsitzende die Möglichkeit bekommen sollen, Ordnungsmaßnahmen zu ergreifen, ist eine gute und wichtige Sache, auf die wir selber lange gedrungen haben. 

Aber mit all dem gehen Sie noch nicht genug auf den veränderten parlamentarischen Alltag, auf die veränderte Debattenkultur hier im Hause ein, wie ich sie – und ich glaube, viele andere von uns auch – seit 2017 erlebe. Dennseitdem gibt es hier eine Fraktion, für die Artikel 3 des Grundgesetzes praktisch nicht existent ist.

(Stephan Brandner (AfD): Stimmt! Wir werden von Ihnen ungleich behandelt! Da haben Sie recht!)

Für diese Fraktion, die Fraktion der AfD, ist unvorstellbar, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind. Für diese Fraktion ist unvorstellbar, dass Männer und Frauen nicht nur gleichberechtigt sind, sondern der Staat die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern fördert und auf die Beseitigung bestehender Nachteile hinwirkt. Und für die AfD wäre es ein harter Bruch mit ihrem Politikmodell, wenn sie in der Praxis niemanden wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen und politischen Anschauungen benachteiligen oder bevorzugen würde, meine Damen und Herren.

(Dr. Christoph Birghan (AfD): Sie benachteiligen uns dauernd!)

Die AfD ist die düstere Gegenerzählung zum Grundgesetz, und wir dürfen es nicht länger hinnehmen, dass entsprechende Redebeiträge hier im Deutschen Bundestag zur Normalität gehören, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der Linken)

Das können Sie ordnungsrechtlich regeln, das finde ich auch ausdrücklich gut. Aber das reicht nicht aus. Deswegen verstehe ich nicht, warum Sie die Prinzipien aus Artikel 3 des Grundgesetzes, die ich hier gerade alle vorgetragen habe, nicht als Grundregel für parlamentarische Debatten in der Geschäftsordnung verankern. Das wäre aus meiner Sicht ein ganz wichtiges Signal, nicht nur nach außen, sondern auch nach innen. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, ich will Ihnen da auch gerne die Angst nehmen: Das Grundgesetz gab es schon, bevor rechte Blasen angefangen haben, alles, was da drinsteht, als „woke“ zu bezeichnen. Sie dürfen zu den Prinzipien des Grundgesetzes ausnahmslos stehen, meine Damen und Herren. 

(Stephan Brandner (AfD): Das tun nur wir!)

Abschließend, sehr geehrte Frau Präsidentin, möchte ich Sie darauf hinweisen, dass Sie, Frau Präsidentin, im vorliegenden Vorschlag zur GO-Reform gar nicht vorkommen, anders als Ihre männlichen Vorgänger. Und ich denke, es sollte der Koalition wirklich sehr leichtfallen, das noch zu ändern und somit auch Bundestagspräsidentinnen in der Geschäftsordnung zu erwähnen. 

(Stephan Brandner (AfD): Das ist ganz entscheidend! – Dr. Götz Frömming (AfD): Nur zwei Geschlechter? Das ist ganz schön wenig!))

Ich hoffe, es wird noch viele geben.

(Stephan Brandner (AfD): Sie haben Minderwertigkeitskomplexe! Kann das sein?)

Sehr geehrte Damen und Herren, wir als Fraktion Bündnis 90/Die Grünen werden die weitere Beratung der GO-Reform und des Abgeordnetengesetzes konstruktiv begleiten. Wir sind im Gespräch, unsere Änderungsvorschläge kennen Sie bereits. Lassen Sie uns die Gelegenheit nutzen, aus dem Reförmchen eine echte Reform zu machen und der demokratischen Debattenkultur in diesen Zeiten einen guten und würdigen Rahmen zu geben.

Ganz herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

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