Auszug aus der Niederschrift vom 12.02.2021
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Nach fast drei Jahrzehnten ist es wirklich an der Zeit, das Bundespolizeigesetz grundlegend zu reformieren. Unsere Bundespolizei braucht verlässliche Arbeitsgrundlagen, und die Bürgerinnen und Bürger brauchen eine verlässliche Polizei. Deshalb ist eine Reform auch so dringend nötig.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Doch der Prozess der Einbringung war Chaos pur – das ist hier auch schon angesprochen worden -: Der Referentenentwurf, der vor einem Jahr an die Öffentlichkeit kam, war ja ein regelrechtes Wünsch-dir-was. Da stand sogar noch die Cyberabwehr drin. Ein gefährliches Zuständigkeitschaos wäre dabei die Folge gewesen. Abgesprochen war das damals übrigens mit niemandem, auch nicht mit den Bundesländern. Ich hoffe, dass das diesmal anders ist, meine Damen und Herren.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Herr Seehofer, die Reform des Bundespolizeigesetzes eignet sich nicht für unkoordinierte Testballons, die man nachher wieder einsammeln muss. Nun kommt die Große Koalition in der letzten Kurve dieser Legislaturperiode mit dem Gesetzentwurf. Einige schlechte Regelungen wurden dabei gestrichen; ja, das erkennen wir an. Und ja, es ist auch sinnvoll, dass die Bundespolizei nicht nur Vergehen, sondern auch Verbrechen in ihrem Zuständigkeitsbereich selbst bearbeiten kann. Aber warum benötigt sie dazu ein ganzes Set hochumstrittener Befugnisse? Warum wird hier wieder erneut die hochumstrittene Quellen-Telekommunikationsüberwachung eingeführt, gegen die mehrere Verfassungsbeschwerden anhängig sind? Damit tun Sie auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern keinen Gefallen, weil es hier einfach keine Rechtssicherheit gibt, meine Damen und Herren.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Benjamin Strasser (FDP))
Befugnisse sind doch keine Trophäen für Behördenchefs, mit denen man sich irgendwie schmücken kann, sondern Sie müssen sich an den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und an den tatsächlichen Aufgaben orientieren.
Anderes haben Sie dagegen nicht angepackt, wie zum Beispiel den § 22 Absatz 1a Bundespolizeigesetz zur Feststellung der unerlaubten Einreise. So wie dieser Paragraf aktuell im Gesetz steht, führt er in der polizeilichen Praxis zu falscher Anwendung, sodass es zum Beispiel zu Racial Profiling kommt, und das ist völlig inakzeptabel.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Stattdessen braucht die Bundespolizei eine echte rechtsstaatliche Kontrollbefugnis mit klaren Zulässigkeitsvoraussetzungen, sodass jede Polizistin und jeder Polizist ganz klar weiß, wann und wie solche Personenkontrollen möglich sind. Auch die betroffenen Personen könnten die Rechtmäßigkeit dieser Maßnahme wesentlich besser nachvollziehen. Fragen Sie mal bei der Gewerkschaft der Polizei; die werden Ihnen bestätigen: Der § 22 Absatz 1a in seiner heutigen Form ist für die polizeiliche Arbeit vollkommen ungeeignet und muss dringend reformiert werden.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Auch die Personalfrage ist nicht geklärt. Denn wir sollten ehrlich sein: Mit diesem Gesetz, mit neuen Befugnissen, neuen Kompetenzen wachsen selbstverständlich auch die Erwartungen an die Bundespolizei, und da sieht es angesichts von über 8 000 unbesetzten Stellen leider nicht gut aus.
Meine Damen und Herren, es bleibt viel zu tun, aber nur sehr wenig Zeit in diesem Prozess. Das darf aber nicht zu Abstrichen bei der Qualität dieses Gesetzes führen.
Herzlichen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)