Newsletter Oktober/November 2019
Liebe Leserinnen und Leser,
wieder einmal liegt ein sehr heißer und trockener Sommer hinter uns. Der Klimawandel ist für uns alle spürbar und als Realität in den (meisten) Köpfen angekommen. Der globale Klimastreik am 20. September war ein starkes Signal von Millionen von Menschen, die für ambitionierten Klimaschutz streiten. Am selben Tag kam auch ein klimapolitisches Signal der Bundesregierung in Form des lang erwarteten Klimapakets.
Stark war dieses Signal allerdings nicht. Schwarz-Rot hat es nicht geschafft, sich von ihrer Klientelorientierung zu befreien und einen klimapolitischen Aufbruch zu gestalten. So wird Deutschland seine Verbindlichkeiten nach dem Pariser Abkommen nicht einhalten können. Deshalb müssen wir mehr denn je Druck machen und eine andere Politik einfordern. Das betrifft auch die Frage, wie wir die Folgen des Klimawandels bewältigen. Unter anderem darum geht es in diesem Newsletter.
Ich wünsche viel Spaß beim Lesen.
Irene Mihalic
Rechtsextremen Netzwerken entschlossen entgegentreten
Der antisemitische Anschlag in Halle hat uns alle betroffen gemacht. Mitten in unserer Gesellschaft hat sich ein Rechtsextremist auf den Weg gemacht, um ein Massaker an Juden zu begehen. Bei diesem Terroranschlag sind zwei Menschen getötet worden. Spätestens jetzt dürfte allen klar sein, dass die Gefahr des Rechtsterrorismus akut ist und nicht mit dem NSU überwunden wurde.
Umso beunruhigender ist das Ergebnis meiner kleinen Anfrage zur Gefahr durch rechtsextremistische und rechtsterroristische Strukturen in Deutschland. Wenn über 700 Rechtsextremisten legal Waffen besitzen dürfen, können wir das Maß der illegalen Bewaffnung nur erahnen. Zumal es immer einfacher wird, an Informationen zur Produktion tödlicher Waffen zu gelangen.
Und das ist nur ein Aspekt der Gefährdung. In unserem Antrag „Rechtsextremen Netzwerken entschlossen entgegentreten“ haben wir einen umfangreichen Maßnahmenkatalog vorgelegt. Mit dem wollen wir nicht nur die Fähigkeit zur Analyse der konkreten Gefahr von Rechts verbessern, sondern auch Hilfe für bedrohte Menschen anbieten. Nicht zuletzt muss deutlich mehr in Präventionsmaßnahmen investiert werden. Der Kampf gegen rechte Gewalt ist nicht zuletzt ein Kampf um die Köpfe der Menschen.
- Rede zum Rechtsterrorismus
- Antrag: Rechtsextremen Netzwerken entschlossen entgegentreten
- Kleine Anfrage: Gefahr durch rechtsextreme und rechtsterroristische Strukturen in Deutschland 2019
- Süddeutsche Zeitung: Zehn-Punkte-Plan gegen rechts
Seehofers Haushalt: Pure Fassade – Rechtsextremismus weiterhin kein Schwerpunkt
Großspurig hat der Bundesinnenminister im Sommer 440 neue Stellen beim Bundeskriminalamt zur Bekämpfung des Rechtsextremismus angekündigt. Im Haushalt 2020 findet sich nichts davon wieder und wir Grünen fordern neben Klarheit in dieser Frage eine „Task Force“ zum Rechtsextremismus beim Bundesinnenministerium (BMI).
Als ich den Haushalt für das Jahr 2020 in den Händen hielt traute ich meinen Augen nicht, als dort tatsächlich die 440 zugesagten Stellen zur Bekämpfung des Rechtsextremismus beim BKA nicht enthalten waren. Auf meine Nachfrage im Haushaltsverfahren wurde die Leerstelle bestätigt: Keine Stellen. Das Parlament müsse erst zustimmen. Fragen sie uns doch einfach Herr Seehofer, der Haushalt wird doch im Parlament behandelt! Über diese und andere Augenwischereien im Haushalt habe ich in meiner Rede zum Haushalt vor dem Bundestag gesprochen.
Weil wir als Grüne konstruktiv am Haushalt mitarbeiten wollen, haben wir allein im Innenausschuss 21 Änderungsanträge eingebracht. Unter anderem fordern wir die Einrichtung einer Task Force zur Bekämpfung des Rechtsextremismus beim BMI. Diese Task Force soll Anlaufstelle sein für Menschen – oft Kommunalpolitiker*innen oder Journalist*innen – die auf den diversen Droh-Listen der Rechtsextremisten stehen. Diese Menschen müssen den Schutz der demokratischen Institutionen deutlich spüren.
Wir fordern zudem massive Anstrengungen beim Katastrophenschutz, vor allem auch Hubschrauber für die Brandbekämpfung. Gerade in Zeiten immer trockenerer Sommer und häufigerer Extremwetterereignisse brauchen wir einen deutlich besser ausgestatteten Katastrophenschutz. Wir setzen uns auch konkret für bessere Arbeitsbedingungen verknüpft mit dem Klimaschutzgedanken bei der Bundespolizei ein: Wir wollen, dass Polizist*innen und Polizisten im Rahmen einer E-Offensive bei der Bundespolizei, die mit einem E-Auto zur Arbeit fahren in den Direktionen privat nutzbare E-Zapfsäulen vorfinden.
Links zum Thema
- Rede zum Haushalt
- Hannoversche Allgemeine: Grüne: Seehofers Kampf gegen Rechtsextreme ist pure PR
- WAZ: Grüne fordern 36 Millionen im Kampf gegen Waldbrände
- Handelsblatt: Grüne fordern E-Offensive bei der Bundespolizei
Untersuchungsausschuss zum Anschlag auf dem Breitscheidplatz: Aufklärung trotz Blockade
Der Untersuchungsausschuss hat sich mühsam dafür eingesetzt, endlich die Videos von der Überwachung der Fussilet-Moschee vor dem Anschlag einzusehen. Die Bilder enthüllen neue hochbrisante Szenen und zeigen, wie früh nach dem Anschlag man den Attentäter im Kreis der Fussilet-Moschee vermutete.
Der Eingang zur Fussilet-Moschee wurde mit zwei Kameras vom LKA Berlin überwacht. Anscheinend wurde nur ein kleiner Teil der Aufnahmen und Bilder nach dem Anschlag ausgewertet. Was bislang nicht bekannt wurde ist der Umstand, dass schon früh in der Nacht nach dem Anschlag wohl mehrere Polizeieinsätze an der Moschee stattfanden und das obwohl man zu dieser Zeit einen Tatverdächtigen pakistanischer Abstammung und ohne Bezug zur Fussilet Moschee vorläufig festgenommen hatte. Diese Polizeieinsätze lassen sich bisher in den Akten nicht finden.
Völlig außen vor in der Analyse der Videoaufzeichnungen durch die Behörden blieben interessante Aufnahmen von Personen, die möglicherweise eng mit Anis Amri und dem Netzwerk der islamistischen Gefährder in der Fussilet Moschee vernetzt waren. Scheinbar hat man sich nur auf den Moment konzentriert, an dem Amri am 19.12.2016 vor dem Anschlag noch in die Fussilet-Moschee gegangen ist. Für die Identifizierung der Person, mit der er dort mutmaßlich zusammentraf, was auf den Videos auch zu erkennen ist, hat man sich nicht wirklich angestrengt. Dabei hat sich vermutlich dieselbe Person am Mittag des 19.12. noch einmal mit Amri getroffen und wurde nachts von der Polizei am Breitscheidplatz aufgegriffen.
Die auffällige „Nichtbefassung“ mit dieser Person zeigt: Alles, was von der Einzeltäterthese ablenkt wurde und wird von den Behörden wegdefiniert oder mit mehr oder weniger nichtssagenden Vermerken in den Akten „versenkt“. Wie gefährlich das sein kann zeigt sich in dem Umstand, dass genau diese Person, die mutmaßlich mit Amri kurz vor dem Anschlag in der Fussilet Moschee zusammen war, ein halbes Jahr später unter Verdacht stand, einen Anschlag mit Rohrbomben auf den Berliner Halbmarathon geplant zu haben.
Auch bei der Auswertung der Videos vom Breitscheidplatz wurde massiv geschlampt. Einiges seit Dezember 2016 vorliegendes Material hat man erst jetzt analysiert, wo wir im Untersuchungsausschuss auf dort enthaltene relevante Zusammenhänge hingewiesen haben. Es war für uns empörend, dass das Bundeskriminalamt (BKA) sich erst nachdem der Untersuchungsausschuss Druck machte und es Medienberichterstattung zu diversen Videos gab, sich noch einmal mit den Videos befasst hat. Wir wollten daher direkt Zeugen des BKA dazu in den Untersuchungsausschuss laden, um sie öffentlich zu den neuen Erkenntnissen bzw. zu den Ermittlungspannen befragen zu können. Dieses Vorhaben scheiterte jedoch an Union und SPD, die sich direkt schützend vor die Bundesregierung und ihr unterstehende Behörden stellten. Damit sprechen die Regierungsfraktionen ihrem parlamentarischen Kontrollauftrag Hohn.
Nach gut einem Jahr Untersuchungsausschuss nehmen wir insgesamt eine massive antiaufklärerische Haltung der Bundesregierung wahr. Statt Fehlerkultur zu leben bleibt sie dabei, die Verantwortung von Bundesbehörden für den Anschlag vom Breitscheidplatz weitgehend zu leugnen. Das wird auch in der Beantwortung unserer Kleinen Anfrage deutlich, über die der Tagesspiegel berichtet hat. Gemeinsam mit meinem äußerst engagierten Mitstreiter im Untersuchungsausschuss Konstantin von Notz habe ich ein Zwischenfazit gezogen und ein multiples Behördenversagen konstatiert, das es weiter entschlossen aufzuklären gilt.
Links zum Thema
- Kleine Anfrage: Der Anschlag auf den Weihnachtsmarkt auf dem Berliner Breitscheidplatz am 19. Dezember 2016 und der Fall Anis Amri – Offene Fragen zur Verantwortung und etwaigen Fehler der Sicherheitsbehörden
- Multiples Behördenversagen
- Zwischenfazit zum PUA
- Tagesspiegel: Grüne werfen Bundesregierung Blockadehaltung im Fall Amri vor
- Süddeutsche Zeitung: Video von Terroranschlag: Kritik an später Nachforschung
- Welt: Der zweite Mann
- Der Polizeieinsatz in der Amri-Moschee, den es offiziell nie gab
Neue Perspektiven für den Katastrophenschutz
In einem Autorinnenpapier fordern die Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt und ich eine Stärkung des Katastrophenschutzes.
Starkregenfälle und Überschwemmungen, Dürre, Waldbrände oder starke Stürme; die Klimakrise verursacht bereits jetzt enorme Schänden und stellt die überwiegend freiwilligen Mitglieder der „Blaulichtorganisationen“ vor enorme Herausforderungen. Die Bundesregierung darf sich nicht länger aus der Verantwortung stehlen und muss eine aktive Rolle im Katastrophenschutz einnehmen. Dazu gehört zum Beispiel die Beschaffung von Löschflugzeugen oder Hubschraubern zur Waldbrandbekämpfung. Zusammen mit Katrin Göring-Eckhardt habe ich ganz konkrete Forderungen und Maßnahmen zur Stärkung des Katastrophenschutzes aufgeschrieben.
Links zum Thema
- Autor*innenpapier: Neue Perspektiven für den Katastrophenschutz
- Dresdner Neueste Nachrichten: Grüne wollen Katastrophenschutz stärken
Die italienische Mafia fliegt in Deutschland unterm Radar
Alleine der italienischen Mafiaorganisation ’Ndrangheta gehören laut Bundesregierung 1000 Mitglieder in Deutschland an, bekannt sind den Sicherheitsbehörden aber nur rund 340 Personen. Das musste die Bundesregierung nun in der Antwort auf eine Kleine Anfrage von uns einräumen.
Die italienische Mafiaorganisation ’Ndrangheta wird aktuell als einflussreichste Gruppe der Organisierten Kriminalität in Europa und Deutschland angesehen. Sie soll zum Beispiel den Handel mit Kokain in Europa dominieren. Eine Kleine Anfrage von uns hat jetzt ergeben, dass die Bundesregierung der Organisation rund 1000 Mitglieder in Deutschland zurechnet aber nur rund 340 Personen kennt. Die Zahlen zeigen, dass wir es mit einem gewaltigen Dunkelfeld zu tun haben, welches ein erhebliches Sicherheitsrisiko darstellt und dringend aufgehellt werden muss. Der sizilianischen Organisation „Cosa Nostra“ werden 123 Personen und der „Camorra“ 94 Personen zugerechnet. Hier ist ebenfalls von einem großen Dunkelfeld auszugehen.
Links zum Thema
- FAZ: „Das ist ein gewaltiges Sicherheitsrisiko“
- Kleine Anfrage zum Einfluss der italienischen Mafia auf Gesellschaft, Wirtschaft und Politik in Deutschland
Zahlen zur Kriminalitätslage parlamentarisch erfragt
Die Bundesregierung kommt beim Thema Periodischer Sicherheitsbericht nicht weiter. Umso wichtiger war uns, wichtige Kennzahlen zur Kriminalitätslage abzufragen. Die Zahl der nicht vollstreckten Haftbefehle ist ein solcher Indikator.
Die Gesamtzahl der offenen Haftbefehle steigt seit Jahren. Doch die Bundesregierung veröffentlicht die Zahlen, die sie dazu hat in keinem Bericht. Öffentlich bekannt ist daher nur was parlamentarisch oder durch die Presse erfragt wird. Unsere Kleine Anfrage „Nicht vollstreckte Haftbefehle als Gefahr für die innere Sicherheit 2019“ liefert Daten für eine vertiefte Analyse, wie sie insbesondere ZEIT ONLINE gemacht hat.
Auch im Bereich der Politischen Kriminalität (PMK) hält die Bundesregierung aber mit Ihren Informationen weiter hinterm Berg. So fehlt im jährlichen PMK-Bericht eine durchgehende Aufschlüsselung aller Straftaten nach „Versuch“ und „Vollendung“, obwohl die Daten dazu vorliegen. Auch eine Aufschlüsselung nach Bundesländern wäre möglich, scheitert aber am fehlenden politischen Willen. Nachvollziehbar ist das nicht, da fast alle Bundesländer die jeweiligen Zahlen für ihr Bundesland selbst veröffentlichen. Auch hierzu haben wir eine Kleine Anfrage gestellt.
Wir werden uns weiter dafür einsetzen müssen, damit die Politik auf tatsächlich aussagekräftige Statistiken zurückgreifen kann, um wirksame Konzepte zur Kriminalitätsbekämpfung entwickeln zu können.
Links zum Thema
- Kleine Anfrage „Nicht vollstreckte Haftbefehle als Gefahr für die innere Sicherheit 2019“
- ZEIT ONLINE: Zahl offener Haftbefehle erreicht neuen Höchststand
- Kleine Anfrage: Erhöhung der Aussagekraft der PMK-Statistik
Aktuelle Entwicklungen bei der Bundespolizei
Auch die aktuellen Entwicklungen bei der Bundespolizei haben wir in einer weiteren Kleinen Anfragen abgefragt. Dabei ging es neben den Themen Ausbildung, Grenzkontrollen, unter anderem auch wieder um den Frauenanteil bei der Bundespolizei.
Positiv in diesem Zusammenhang ist, dass der Frauenanteil in Führungspositionen bei der Bundespolizei gestiegen ist. Gerade jetzt in Zeiten von Personalaufwüchsen müsste allerdings mehr getan werden, um die Weichen für mehr Frauen in Führungspositionen zu stellen. Die Topjobs sind nämlich trotz dieser Erfolge weiter fast ausschließlich von Männern besetzt. Schade auch, dass die Bundespolizei nichts an der bisherigen Praxis der Anerkennung externer Studienleistungen ändern will. Auch das wäre im Hinblick auf die personellen Herausforderungen der Zukunft jetzt wichtig.
Links zum Thema
- Kleine Anfrage: Aktuelle Entwicklungen bei der Bundespolizei (29.05.2019)
- Kleine Anfrage: Aktuelle Entwicklungen bei der Bundespolizei (03.06.2019)
#EinsatzGrün
Zu einem „Einsatz im Revier“ der besonderen Art kam es, als ich bei der Frühschicht der Polizei in Gelsenkirchen-Buer mitfuhr. Diese Begleitung war Teil des innenpolitischen Schwerpunktes der Bundestagsfraktion in diesem Herbst.
Dieser führt unter anderem grüne Abgeordnete unter dem Hashtag #EinsatzGrün an den Arbeitsalltag der Polizei heran. Viele der da gesammelten Erfahrungen sollen in die parlamentarische Arbeit einfließen.
Am 22. November findet zudem der Grüne Polizeikongress der Bundestagsfraktion statt, auf dem wir den Dialog intensivieren sollen.
Links zum Thema