Erste Parlamentarische Geschäftsführerin | Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Was wusste der Verfassungsschutz über das NSU-Terrornetzwerk?

Wir wollen`s wissen

Wir wollen`s wissenGenau vier Jahre nach der so genannten „Aktion Konfetti“ wird am 11. November 2015 der zweite Untersuchungsausschuss (PUA) zum „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU) eingesetzt. Dieser 11. November ist gewissermaßen Sinnbild für die Fortsetzung der Untersuchungsarbeit. Denn die „Aktion Konfetti“ ist die eher karnevalistisch anmutende Beschreibung einer großangelegten Schredder-Aktion beim Bundesamt für Verfassungsschutz, der diverse Akten zu Thüringer V-Leuten in unmittelbarer Nähe des NSU zum Opfer fielen. Somit steht der 11. November für die Frage nach dem Wissen und der Rolle des Verfassungsschutzes im Zusammenhang mit dem Terrornetzwerk NSU.

WELCHE ROLLE SPIELTEN V-LEUTE

Genau diese Frage steht im Kern der Arbeit des neuen NSU-PUA, dessen Grundlage ein von allen Fraktionen gemeinsam erarbeiteter Untersuchungsauftrag ist. Wir wollen genau ermitteln, zu welchem Zeitpunkt Bundesbehörden vom NSU und seinem Netzwerk wussten oder hätte wissen können. Im Fokus steht dabei vor allem die Arbeit des Verfassungsschutzes. Dieser hat in den 1990er Jahren massiv V-Leute für die rechtsextreme Szene rekrutiert, um damit vorgeblich Radikalisierung und terroristische Gefahren schneller und besser erkennen zu können.

Heute ist sich die Mehrheit der Experten einig, dass dieses Vorgehen den Rechtsextremismus eher finanziell und organisatorisch gestärkt hat, als ihn erfolgreich zu bekämpfen. Genau hier setzt auch unsere Aufklärungsarbeit an. Wir wollen uns den Einsatz der V-Leute in diesem Umfeld an den zugrunde liegenden Beispielen genau anschauen. Wir werden fragen, wie diese Leute geworben und geführt wurden. Uns interessiert welche Informationen sie beschafft haben und ob mit ihnen eine Ausstiegsperspektive aus der rechtsextremen Szene erarbeitet wurde. Wir wollen wissen, welche finanzielle Unterstützung V-Leute bekommen haben und ob sie durch das Agieren der Sicherheitsbehörden rechtswidrig vor Strafverfahren geschützt wurden.

SIND DIE SICHERHEITSBEHÖRDEN RICHTIG AUFGESTELLT?

Unser Pfad der Aufklärung macht klar, dass es uns nicht nur darum geht, den NSU-Komplex historisch korrekt aufzuarbeiten. Für uns geht es immer auch um die gegenwärtige Situation. Denn wir erleben aktuell erneut eine starke Zunahme rechtsextremer Gewalt. Fast täglich erreichen uns Meldungen über Anschläge auf Flüchtlinge und deren Einrichtungen, aber auch auf engagierte BürgerInnen, JournalistInnen oder PolitikerInnen; und heute wie damals ist die Analyseunfähigkeit des Bundesamt für Verfassungsschutzes frappierend.

So haben wir bis zum heutigen Tag keine vertieften Informationen über Anschlagsplanungen sowie die möglicherweise dahinter stehenden Gruppierungen. Auch mit Blick darauf müssen wir sehr kritisch hinterfragen, ob unsere Sicherheitsbehörden in der Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus richtig aufgestellt sind. Auch sollten wir herausarbeiten, welche Maßnahmen und Strategien sogar kontraproduktiv wirken und dadurch rechte Gewalt eher fördern, statt sie erfolgreich zu unterbinden.

Wir haben in der zweiten Hälfte der 18. Legislaturperiode nicht mehr viel Zeit, um all diesen wichtigen Fragen nachzugehen. Solange die Fraktionen des Bundestags an einem Strang ziehen sind wir guter Hoffnung, in den nächsten 16 Monaten viele weitere wichtige Bausteine zur Aufklärung des NSU-Terrors ermitteln zu können.