Erste Parlamentarische Geschäftsführerin | Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Die Polizistin aus dem Pott

Portrait auf der Website der grünen Bundestagsfraktion

„Irgendwann musste ich mich entscheiden – Polizei oder Politik. Für beides war keine Zeit“, sagt Mihalic (sprich: Míhalitsch). Seit letztem Jahr sitzt sie also für die Grünen im Bundestag, doch „die Polizistin“ ist von Gelsenkirchen mit nach Berlin gekommen. Kerzengerade steht sie vor dem Schreibtisch im Abgeordnetenbüro: eine Schaufensterpuppe in Mihalics alter Uniform. „Meine nette Kollegin, meine Verstärkung“, scherzt die Abgeordnete. „Die soll mich daran erinnern, woher ich komme.“

Schon als kleines Mädchen will Irene Mihalic zur Polizei. Doch anders als die meisten Kinder bleibt sie ihrem Berufswunsch treu. Mit 17 Jahren geht sie auf die Polizeischule in Nordrhein-Westfalen. Sie fährt Streife, fahndet nach Dealern oder schützt Demonstrationen. Fans der Reality-Doku „Achtung Kontrolle!“ kennen sie als Autobahnpolizistin, die gemeinsam mit ihrem Kollegen und heutigen Mann vor laufender Kamera Raser stellt. „Ich bin in diesem Beruf aufgegangen“, sagt sie. Dennoch zog es sie in die Politik. „Weil ich dazu beitragen kann, dass dieses Land besser wird.“

Gerade mal acht Jahre ist es her, dass Mihalic nach Dienstschluss bei der Geschäftsstelle der Gelsenkirchener Grünen anklopfte und einen Mitgliedsantrag verlangte. „Ich fürchtete, dass in der Großen Koalition der Klimaschutz unter die Räder kommt, deshalb wollte ich was tun“, erinnert sie sich. Politik spielte schon in ihrer Kindheit eine große Rolle: Die Eltern waren in den 60-er Jahren aus dem damaligen Jugoslawien nach Deutschland gekommen. Anfang der 80-er Jahre ließen sie sich einbürgern, um endlich mitbestimmen zu dürfen.

Zunächst sind es die Umweltthemen, die der Vegetarierin am Herzen liegen. Doch je länger Mihalic sich bei den Grünen engagiert, desto mehr Anknüpfungspunkte findet sie zu ihrem Beruf. Sie gründet das Grüne Forum Polizei und entdeckt die Innen- und Sicherheitspolitik für sich.

An diesem Morgen ist sie um halb sechs aufgestanden, durch den Mauerpark gejoggt und dann ins Büro geradelt. „Ich freue mich jeden Tag auf die Arbeit“, sagt sie lächelnd. Manches im Bundestag erinnere sie an ihr früheres Leben. „Hier ist auch alles durchorganisiert, das mag ich.“ Wer sich Mihalic jetzt aber als strenge, pedantische Beamtin vorstellt, irrt. Die 37-Jährige wirkt offen und unkompliziert, die Begeisterung für ihr Mandat ist ihr anzusehen. Dass sie noch ziemlich neu ist in dem Geschäft, hingegen nicht: Souverän und selbstbewusst redet sie vor dem Parlament – als hätte sie nie etwas anderes getan.

Die grüne Polizistin – noch immer löst diese Kombination von Beruf und Parteibuch auch Irritationen aus. Dort, wo sich die alten Klischees von „(grünen) Steinewerfern“ auf der einen Seite und „prügelnden Beamten“ auf der anderen noch hartnäckig halten. Irene Mihalic hat es sich zur Aufgabe gemacht, zwischen beiden Sichtweisen zu vermitteln. Sie streitet für eine unabhängige Instanz, die die Sicherheitskräfte kontrolliert. „Eine Art Polizeibeauftragten, an den sich jeder wenden kann, egal ob Polizist oder Bürgerin.“

Auch als Sprecherin für innere Sicherheit und grüne Obfrau im Innenausschuss ist sie an dem Thema dran. Im Fall der NSU-Morde steht das Versagen der Polizei im Vordergrund. „Sie neigt dazu, sich nach außen als fehlerlos darzustellen“, sagt Mihalic und spricht aus Erfahrung. „Dabei ist es völlig normal, dass Fehler passieren – wichtig ist der Umgang damit. Die Menschen können den Sicherheitsbehörden nur vertrauen, wenn sie sehen, dass Fehler aufgearbeitet werden und dass man daraus lernt.“ Aufklären, um verlorenes Vertrauen wiederherzustellen, darum geht es Mihalic auch im Untersuchungsausschuss zur Edathy-Affäre. Ist eine ehemalige Polizistin die Richtige, um nach Fehlern beim BKA zu fahnden? „Ja, denn die Befragten wissen, dass ich vom Fach bin. Mir kann man so schnell nichts vormachen.“