Newsletter April 2021
Liebe Leserinnen und Leser,
wir leben nun seit über einem Jahr in einem Ausnahmezustand, der zu unserem Alltag geworden ist. Diese Situation ermüdet und verunsichert uns alle. Leider agiert die aktuelle Bundesregierung nicht so, dass Vertrauen aufgebaut werden könnte. Dabei ist Vertrauen unverzichtbar, um diese Pandemie zu besiegen und unsere Gesellschaft zusammenzuhalten.
In diesem Newsletter wird es an einigen Stellen auch um Themen gehen, die mit Corona zusammenhängen. Aber auch andere Bereiche meiner Arbeit spielen eine Rolle.
Bitte bleiben Sie gesund. Viel Spaß beim Lesen!
Irene Mihalic
einsatz.report | Der Podcast
Für einige Diskussionen braucht es etwas mehr Zeit. Für diese habe ich jetzt einen Podcast gestartet.
In der ersten Episode habe ich mit Dirk Laabs über Rechtsextreme in Sicherheitsbehörden gesprochen. Der Journalist konnte kenntnisreich von rechten Netzwerken in Polizei und Bundeswehr berichten, die sich zum Teil auf einen „Tag X“ vorbereiten. Ich fand das Gespräch selbst sehr spannend und würde mich freuen, wenn Sie reinhören würden.
- Vorbereitung auf den Tag X: Rechtsextreme in Sicherheitsbehörden
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Politisch motivierte Kriminalität in 2020: ein besorgniserregender Rekord
Seit 2001 werden die Vorfälle von politisch motivierten Straftaten in der sogenannten PMK-Statistik erfasst. Die vorläufigen Zahlen der politisch motivierten Kriminalität im Jahr 2020 haben seit Beginn der Erfassung im Jahr 2001 ein trauriges Hoch erreicht, wie die Antwort der Bundesregierung auf unsere Kleine Anfrage zu rechtsextremen Vorgängen und Entwicklungen zeigt.
Wie bereits in den vergangenen Jahren haben wir in einer umfangreichen Kleinen Anfrage nach den bislang noch nicht veröffentlichen Zahlen der PMK-Statistik sowie weiteren rechtsextremen Geschehnissen gefragt. Aus der Antwort der Bundesregierung geht hervor, dass mit im Jahr 2020 mit 44.034 Straftaten ein Rekord bei den Vorfällen der politisch motivierten Kriminalität erreicht wurde. Erneut ist die Mehrheit der Taten rechtsextrem motiviert, mit über 23.000 Straftaten im Bereich „PMK-rechts“. Mit Blick auf die Tatverdächtigen zeigt sich, dass insgesamt die größte Gefahr im Bereich politisch motivierter Kriminalität von rechtsextremen Männern ausgeht, sie stellen die größte Gruppe der Tatverdächtigen dar.
Ganz besonders erschreckend ist der Anstieg im Bereich antisemitischer Straftaten. Noch nie zuvor wurden so viele antisemitische Straftaten begangen wie im Jahr 2020, insgesamt 2322 Delikte. Die überwiegende Mehrheit kommt aus dem rechtsextremen Spektrum, doch insbesondere seit Beginn der Corona Pandemie wird bei den Corona-Demonstrationen deutlich, dass die Verbreitung antisemitischer Stereotype, Holocaust-Leugnung und Holocaust-Verharmlosung nicht lediglich bei rechtsextremen Gruppierungen auf Zuspruch stößt. Dies zeigt, dass Antisemitismus entschieden begegnet werden muss. Der rechte Hass richtet sich außerdem massiv gegen Musliminnen und Muslime, aber auch gegen Mandatsträger*innen und Pressevertreter*innen.
Die hohe Anzahl der Straftaten, die keiner PMK-Kategorie zugeordnet wurden, lassen sich vermutlich auf die Querdenken Proteste zurückführen. Dabei sollte die Beobachtung und Analyse der Corona-Leugner, die seit nunmehr einem Jahr protestieren, bereits deutlich gezeigt haben, dass zahlreiche Akteure dem rechtsextremen und Reichsbürger Spektrum zuzurechnen sind. Trotz der eindeutigen rechtsextremen ideologischen Verortung der Mehrheit der Reichsbürger Gruppierungen verkennt die Bundesregierung nach wie vor, diese in der PMK Statistik entsprechend zu verorten.
Insgesamt ergeben die PMK-Zahlen auch eine deutlich Steigerung linksextremer Aktivitäten, obwohl im Jahr 2020 keine Großereignisse stattgefunden haben. Bei den linksextremen Aktivitäten ist auch aufgrund des rapiden Anstiegs wichtig zu erfahren, ob es sich um lokale Hotspots handelt oder wir es mit einem bundesweiten Problem zu tun haben.
Links
Rechtsextreme Gefahr
Immer neue rechtsextreme Chatgruppen bei der Polizei sowie rechtsextreme Vorfälle in der Bundeswehr haben in den letzten Monaten zu einer breiten Debatte über das rechtsextreme Gefahrenpotenzial in Sicherheitsbehörden geführt. In einem öffentlichen Fachgespräch der Bundestagsfraktion Bündnis 90/ Die Grünen haben wir diese Themen mit namenhaften Expert*innen debattiert. Darüber hinaus bewegt mich weiterhin das Thema der Querdenken Demonstrationen und der davon ausgehende Bedrohung für die innere Sicherheit.
Gemeinsam mit meinen Fraktionskolleg*innen Konstantin von Notz, Agnieszka Brugger und Tobias Lindner sowie weiteren versierten Gästen haben wir über die Bekämpfung der rechtsextremen Gefahr in Sicherheitsbehörden diskutiert. Im ersten Panel habe ich zusammen mit Rafael Behr und Oliver von Dobrowolski über die aktuelle Situation bei der Polizei, den Stand der Forschung und notwendige politische Reaktionen gesprochen. Es besteht auch bei den Experten aus Wissenschaft und Praxis Zustimmung, dass unsere parlamentarischen Initiativen zur Ermöglichung von breit angelegten Studien über Racial Profiling und Rechtsextremismus bei der Polizei, genau wie ein Polizeibeauftragter, als unabhängige Ansprechperson, dringend umgesetzt werden müssen. Die spannende Veranstaltung ist nach wie vor online abrufbar.
Doch nicht nur das Thema Rechtsextremismus in Sicherheitsbehörden, insbesondere die Corona-Leugner-Demonstrationen und die jüngsten Entwicklungen beschäftigen uns nach wie vor. Zu den jüngsten Übergriffen von der Polizei auf friedlichen Gegendemonstrant*innen habe ich mich in der Presse geäußert. Ich fordere eine saubere Aufarbeitung des Einsatzes und vor allem des Einsatzkonzeptes. Eskalationen, wie in Kassel und Dresden müssen auch durch eine bessere Vorbereitung der Einsätze vorgebeugt werden. Auf keinen Fall darf dem Querdenken-Spektrum vermittelt werden, dass die Polizei Vergehen toleriert, während gegen friedliche Gegendemonstrant*innen hart vorgegangen wird.
Aus der Antwort der Bundesregierung auf unsere Kleine Anfrage zur Gefahr der rechtsextremen und verschwörungsideologischen Instrumentalisierung der Anti-Corona-Politik-Demonstrationen aus Januar diesen Jahres geht hervor, dass die Sicherheitsbehörden die Gefahr nach wie vor in Teilen verkennen. Denn obwohl die Bundesregierung das Radikalisierungspotenzial der Demonstrant*innen in Teilen sieht, geht sie nach wie vor von keiner erhöhten Anschlagsgefahr aus. Vorschlag Maik: Das ist aufgrund des massiven Mobilisierungspotentials der QAnon-Anhänger*innen sowie anderer rechtsextremer Gruppierungen, die aufgrund der aktuellen Situation versuchen ihre Position zu stärken kaum nachzuvollziehen. Das zeigt sich auch an der Beteiligung und Mobilisierung durch gewaltbereite Hooligans insbesondere bei den Demonstrationen in Leipzig und Berlin im November vergangenen Jahres.
Es gilt diesen Entwicklungen entschieden entgegen zu treten: die Sicherheitsbehörden müssen ihre Analysefähigkeiten verbessern, um nicht erneut in ihrer Einschätzung den zahlreichen versierten zivilgesellschaftlichen Demonstrationsbeobachter*innen hinterherzuhinken. Angesichts des Wahljahrs ist von einer besonderen Bedrohung für die innere Sicherheit durch rechtsextreme Verfassungsgegner auszugehen.
Auch der rechtsterroristische und rassistische Anschlag in Hanau beschäftigt uns nach wie vor, weshalb wir in einer Kleinen Anfrage nach dem Stand der Aufklärung nach mehr als einem Jahr gefragt haben. Darin geht es auch darum, mögliche Missstände bei dem Einsatz in der Tatnacht sowie bei den Ermittlungsarbeiten zu hinterfragen.
Links
Fachgespräch Rechtsextremismus in Polizei und Bundeswehr
Presse zu Kritik an Polizeieinsatz bei Demonstration in Kassel
Kleine Anfrage Corona Demos (mit Presseartikeln)
Gewalt gegen Frauen – ein Problem für die innere Sicherheit
Trotz positiver Signale aus der Unionsfraktion, die mangelnde Erfassung von Straftaten gegen Frauen gesondert zu erfassen, wurde unser Antrag zur Erfassung und Bekämpfung von Hasskriminalität und anderen Formen von Gewalt gegen Frauen im Innenausschuss abgelehnt. Gemeinsam mit Robert Habeck habe ich ein Positionspapier verfasst, um erneut auf das massive Problem aufmerksam zu machen.
Gewalt gegen Frauen wird zu oft in den Privatbereich verdrängt und in den Medien als Beziehungstat dargestellt. Dabei wird jeden dritten Tag eine Frau Opfer von geschlechtsspezifischer Gewalt. Gewalt gegen Frauen sind keine tragischen Einzelfälle, sondern stellen ein strukturelles Problem dar. In unserem gemeinsamen Papier fordern Robert Habeck und ich daher eine bessere Erfassung von Hasskriminalität gegen Frauen, mit einer neuen Kategorie in der PMK-Statistik. Darüber hinaus brauchen wir endlich eine echte Opferstatistik, die einen besseren Überblick über das Ausmaß des Problems ermöglicht. Die Frage, ob eine Frau während der Partnerschaft oder im bzw. nach einem Trennungsprozess Opfer wird, ist entscheidend, um den Gewalt- und Opferschutz zu verbessern. Auch die Lage von Frauenhäusern muss verbessert sein: Frauen dürfen nicht aufgrund mangelnder Frauenhausplätze weiterhin Gewalt ausgesetzt sein.
In der ersten Sitzungswoche im April wird der Antrag der grünen Bundestagsfraktion im Plenum diskutiert. Dort gibt es noch einmal die Chance für die Regierungsfraktionen unter Beweis zu stellen, ob sie sich der Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen ernsthaft annehmen möchten. Denn Gewalt gegen Frauen ist ein Problem aller gesellschaftlicher Schichten und Milieus und stellt eine massive Gefahr die innere Sicherheit dar.
Antrag
Presse
Sicherheit von Impfzentren gewährleisten
Dass die Impfstoffe und deren Abgabe im Zentrum der antisemitischen, rechtsextremen und verschwörungsideologischen Erzählungen stehen, war frühzeitig absehbar. Bereits im vergangenen Jahr haben wir die Bundesregierung im Innenausschuss des Bundestages hierauf aufmerksam gemacht. Die Zwischenfälle am Rande einer aggressiven Demonstration von Corona-Leugner*innen hat diese Einschätzung leider bestätigt.
Mit einer Kleinen Anfrage haben wir hieran angeknüpft und die Bundesregierung befragt, welche Erkenntnisse sie über die Gefährdung von Einrichtungen zur Impfstoffforschung, -produktion oder -abgabe hat. In der Antwort führt die Bundesregierung aus, dass aufgrund der „hohen Dynamik und Emotionalität“ des Themas eine abstrakte Gefährdung bestehe. So kämen sowohl Sachbeschädigungen als auch Gewaltakte in Betracht. Trotz konkreter Kenntnisse über entsprechende Äußerungen in rechtsextremen Chatgruppen, wird die Gefahr von rechts nicht klar durch die Bundesregierung benannt. Neben extremistischen oder terroristischen Gefahren zeigt die Antwort auf, dass IT-Angriffe auf Unternehmen oder Organisationen, die mit der Impfstoffforschung oder -zulassung betraut sind, eine große Rolle spielen.
Die Bundesregierung ist gerade in der Zeit einer zunehmenden Ausweitung der Impfkampagne dazu aufgefordert alles dafür zu tun, dass diese vor gewalttätigen Störaktionen oder Angriffen geschützt ist. So haben uns die Bilder von dem Angriff auf das Kapitol in den USA noch einmal glasklar vor Augen geführt, wie schnell absurdeste Verschwörungserzählungen in Gewalt umschlagen können. Dabei müssen die Sicherheitsbehörden vor allem Gefahren aus dem Bereich des Rechtsextremismus ins Visier nehmen.
Presse
Bevölkerungsschutz krisenfest aufstellen
Die Corona-Krise hat uns aufgezeigt, wie schnell Strukturen des Bevölkerungsschutzes an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit geraten können. Gerade im Bereich des gesundheitlichen Bevölkerungsschutzes wurden Defizite erkennbar, die es zu beheben gilt. Neben gesundheitlichen Katastrophen dürfen wir aber auch andere Risiken nicht aus dem Auge verlieren. Hierzu zählt insbesondere die Klimakrise.
Zusammen mit Janosch Dahmen, Julia Höller und Verena Schäffer habe ich in einem Autor*innenpapier zahlreiche Vorschläge gemacht, wie wir den Bevölkerungsschutz und die Katastrophenhilfe neu organisieren müssen, damit die nötige Hilfe bei den Menschen schnellstmöglich ankommt.
Im Mittelpunkt unserer Vorschläge steht die Aufwertung des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), das eine Zentralstellenfunktion bekommen soll, wie wir es im polizeilichen Bereich vom Bundeskriminalamt kennen. Dadurch soll sichergestellt werden, dass Ressourcen und Fähigkeiten in Zukunft besser koordiniert werden können, denn auch Katastrophen machen nicht an Ländergrenzen halt.
Darüber hinaus braucht es eine Stärkung des gesundheitlichen Bevölkerungsschutzes, der z. B. auf Pandemien unzureichend eingestellt ist. Hier bedarf es u. a. einer besseren Verzahnung zwischen Hilfsorganisationen, dem Öffentlichen Gesundheitswesen sowie von Klinken.
Auch in der Bundestagsfraktion haben wir hierzu ein Fachgespräch durchgeführt. Wir haben mit Expertinnen und Experten diskutiert, wie der gesundheitliche Bevölkerungsschutz gestärkt werden kann. Das Fachgespräch kann unter [Link s. u.] abgerufen werden.
Daneben müssen wir uns auf Klimafolgeereignisse, wie z. B. Überschwemmungen oder Vegetationsbrände, besser vorbereiten. Hierzu haben wir ebenfalls konkrete Vorschläge in unserem Papier gemacht. Ein wichtiger Bestandteil hierbei ist, dass wir das freiwillige Engagement stärken und ausbauen.
Kokainsicherstellungen nehmen zu, aber was bedeutet das für die Innere Sicherheit?
Dass Drogen- und Kokainhandel eine herausragende Rolle in der Organisierten Kriminalität (OK) spielen ist wenig überraschend. Aktuell lässt sich dies zum Beispiel an einem wichtigen Verfahren des Landgerichts Duisburgs beobachten, das gegen eine Gruppe von Personen verhandelt, die große Mengen Kokain verschoben haben sollen. Unter den Beschuldigten befinden sich Männer, die der Mafiaorganisation ‚Ndrangheta zugerechnet werden.
Wir haben die zunehmenden Berichte über große Sicherstellungen von Kokain zum Anlass genommen und die Bundesregierung befragt.
Die Antwort der Bundesregierung zeigt klar auf, dass Deliktzahlen und Sicherstellungsmengen in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen sind. Die Rekordsicherstellung von 16 Tonnen Kokain im Hamburger Hafen waren nicht einmal berücksichtigt. Diese Entwicklung muss ein Alarmsignal sein. Die umfangreichen Sicherstellungen dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass nur ein geringer Teil aufgegriffen wird und nur selten dahinter liegende Strukturen ausermittelt werden. Dabei müssen wir uns vor Augen führen, dass hochkriminelle Organisationen Umsätze in Milliarden Höhe aus dem Kokaingeschäft realisieren. Der potenzielle politische und wirtschaftliche Einfluss auf die Gesellschaft hieraus ist kaum absehbar.
Die Bundesregierung muss das Thema der OK dringend in den Fokus nehmen. Hierzu zählt, dass Ermittler*innen in die Lage versetzt werden, aufwendige Strukturverfahren durchzuführen, um auch die Personen im Hintergrund zu ermitteln. Außerdem müssen die Erlöse aus kriminellen Tätigkeiten konsequent abgeschöpft und Lücken in der Geldwäschebekämpfung geschlossen werden, um eine Infiltrierung legaler Wirtschaftsbereiche zu verhindern.
Eine Eindämmung des internationalen Drogenhandels werden wir aber nur durch eine fortschrittliche Drogenpolitik und Suchtprävention erreichen können. Eine klare Strategie oder zeitgemäße Konzepte lassen die Bundesregierung weder im Kampf gegen die OK noch in der Drogenpolitik erkennen.
Presse
Schusswaffen in Privatbesitz – ein Problem für die innere Sicherheit
Schon seit Jahren weisen wir als Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen auf die immense Bedrohung hin, die nicht nur von illegalen, sondern eben auch von legalen Waffen ausgehen. Zu dieser Bedrohung haben wir eine Kleine Anfrage gestellt. Außerdem haben wir ein Internet-Fachgespräch zu der Frage durchgeführt, wie das das Waffenrecht so gefasst werden kann, dass es besser als heute die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger garantiert.
Jährlich fragen wir die Fakten zum Waffenbesitz bei der Bundesregierung ab, so auch in diesem Jahr. Dabei war es mal wieder erschütternd, wie wenig die Bundesregierung gerade dazu aussagen konnte, wie viele Taten mit legal erworbenen Schusswaffen ausgeführt wurden. Auch entsprechende Opferstatistiken werden weiterhin nicht geführt, was ich ziemlich empörend finde. Insgesamt sind 5,347 Millionen Schusswaffen(teile) im privaten Waffenbesitz, wobei die TOP-100 der Waffenbesitzer alleine über 66545 Waffen verfügen. Insgesamt gibt es (2020) ca. 1,613 Millionen Waffenbesitzkarten und es liegen 26379 Waffenbesitzverbote vor. Außerdem wurde im Januar 2021 bei den so genannten „kleine Waffenscheine“, ein weiterer Höchststand von 710000 erreicht. Besondere Sorge bereitet mir, dass im Nationalen Waffenregister mittlerweile 36140 Schusswaffen als verloren, gestohlen oder sonst wie abhandengekommen geführt werden. Da fragt man sich zwangsläufig: Wo sind diese Waffen verschwunden. Man verlegt so gefährliche Gegenstände ja nicht einfach in der Wohnung.
Die Zahlen, die sich aus unserer Kleinen Anfrage ergeben haben, weisen erneut auf den Handlungsbedarf im Waffenrecht hin. Ganz klar: die allermeisten Sportschützen stehen fest auf dem Boden von Recht und Gesetz. Der rechtsextrem und rassistisch motivierte Terroranschlag von Halle mit zehn Todesopfern aber auch der sechsfache Mord von Rot am See haben noch einmal gezeigt: Die wenigen Legalwaffenbesitzer, die schlimme Planungen verfolgen, sind hochgefährlich und stellen eine Bedrohung für Leib und Leben vieler dar. Es besteht dringender Handlungsbedarf, diese Gefahr einzudämmen. Wir haben daher am 24. März 2021 ein Fachgespräch zu diesem Thema durchgeführt. Hier haben wir wichtige Akteure virtuell an einen Tisch gebracht, um da drüber zu beraten, was wir konkret tun können. Diskutiert habe ich dort mit Jürgen Kohlheim vom Deutschen Schützenbund, Roman Grafe von der Initiative „Keine Mordwaffen als Sportwaffen!“ und Oliver Malchow, Bundesvorsitzender der GdP. Wir als Grüne wollen auch heftige Kontroversen nicht scheuen, weil wir glauben, dass wir dringend notwendige Reformen nur im Dialog entwickeln können. In diesem Fachgespräch haben wir auch noch einmal unseren aktuellen Antrag zum Waffenrecht thematisiert, in dem wir eine deutlich intensivere Prüfung der persönlichen Eignung zum Führen einer Waffe fordern. Unter anderem wollen wir, dass psychologische Gutachten nicht wie bisher nur bis zum vollendeten 25. Lebensjahr obligatorisch sind bei der Erteilung einer waffenrechtlichen Erlaubnis. Vom Bundesinnenminister gab es hier zunächst positive Signale, leider wurde unser Antrag von den Koalitionsfraktionen im Bundestag jedoch abgelehnt. Wir werden das Thema wie all die anderen wichtigen Fragestellungen des Waffenrechts weiter intensiv begleiten. Es muss uns dringend gelingen, die immer noch vorhandenen Sicherheitslücken im Waffenrecht sukzessive zu schließen.
Weiterführende Links
Internet-Fachgespräch zur “Gefahr von Schusswaffen in Privatbesitz”
Antrag und Rede zur persönlichen Eignung im Waffenrecht
Ende der Zeugenvernehmungen im Untersuchungsausschuss zum Attentat auf dem Breitscheidplatz
Nach fast drei Jahren wurden nun die letzten Zeugen im ersten Untersuchungsausschuss der 19. Wahlperiode des Bundestages vernommen. Wir als Fraktion Bündnis 90/Die Grünen haben diesen Untersuchungsausschuss direkt nach dem Anschlag auf dem Berliner Breitscheidplatz als erste im Bundestag gefordert. Auch wenn viele wichtige Fragen noch offen sind hat sich deutlich gezeigt: Die Aufklärungsarbeit hat sich gelohnt.
Heute wissen wir: Amri war kein Einzeltäter. Bis kurz vor der Tat stand er in engem Kontakt zu Islamisten aus dem Umfeld der Berliner Fussiletmoschee. Leider wurde in diesem Umfeld damals trotzdem kaum ermittelt. Von den allermeisten Personen in Amris Umfeld, somit auch von potentiellen Mittätern/Mitwissern wurden nicht einmal DNA-Proben zum Abgleich genommen, was nur eine Episode in der langen Reihe nicht oder deutlich unzureichend ausgewerteter Spuren war. Ebenso wurden die vermutliche Tatwaffe und Amris Effekte, die in Italien nach dem tödlichen Schusswechsel sichergestellt wurden, bis heute nicht angefordert und in Deutschland auf Spuren vom Tatort untersucht. Die Nachrichtendienste waren doch umfassend und tiefgreifend in die Fallbehandlung Anis Amri involviert, anders als direkt nach dem Anschlag von Bundesregierung und Verfassungsschutzpräsident behauptet. Und: Der Anschlag hätte verhindert werden können, wenn man den Hinweisen einer V-Person des Landeskriminalamt NRW 10 Monate vor dem Anschlag Glauben geschenkt und seitens des Bundeskriminalamtes und weiterer Behörden im Gemeinsamen Terrorabwehrzentrum (GTAZ) anders und konsequenter gehandelt hätte.
Es liegt in der Natur der parlamentarischen Aufklärung, dass wir dort nicht selber und besser als die Sicherheitsbehörden ermitteln, sondern vor allem einen behördenübergreifenden Blick auf das Handeln der Sicherheitsbehörden nehmen und falsches Handeln und Versäumnisse aufzeigen. Das ist uns sehr gut gelungen, auch weil wir zusammen mit FDP und Die Linke als demokratische Oppositionsfraktionen über alle Differenzen der Bewertung hinweg effektiv und konstruktiv zusammengearbeitet haben. Als durch unsere hartnäckige Arbeit im Untersuchungsausschuss die Defizite der Ermittlungen immer deutlicher zutage traten, beteiligten sich dann nach und nach auch die Koalitionsfraktionen an der Aufklärungsarbeit. Maßgeblich lag dies sicher auch in der Person des neuen Ausschussvorsitzenden Klaus-Dieter Gröhler begründet. Leider hat man trotzdem unsere Klage vor dem Bundesverfassungsgericht nicht unterstützt, den Führer der V-Person, die vom Bundesamt für Verfassungsschutz im Umfeld der Fussilet-Moschee und somit auch im Umfeld von Anis Amri eingesetzt wurde, im Ausschuss vernehmen zu können. Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichtes hat die Klage bei einer Gegenstimme und mit Sondervotum des Richters Peter Müller abgelehnt, so dass wir diesen für uns sehr wichtigen Zeugen nun nicht mehr werden hören können.
Trotz alledem sind wir guter Hoffnung, viele von allen Fraktionen getragenen Aussagen, Feststellungen und Empfehlungen im Abschlussbericht treffen zu können. Außerdem schreiben wir gemeinsam mit FDP und Linken ein Sondervotum, in dem wir unsere abweichenden Feststellungen und Empfehlungen sowie unsere Sicht auf die Dinge klar und unverfälscht benennen werden. Sollte sich in den nächsten Wochen noch weiterer Aufklärungsbedarf entwickeln und abzeichnen – zum Beispiel durch entsprechende Veröffentlichungen in den Medien – könnten wir selbstverständlich noch weitere Zeuginnen und Zeugen im Rahmen des Untersuchungsausschusses vernehmen. Ansonsten gilt: Der Untersuchungsausschuss neigt sich dem Ende zu. Die Aufklärung muss weitergehen.
Weiterführende Links: